28.06.2014
Im Rahmen eines interdisziplinären Hochschulprojektes erarbeiteten Studierende im Ideen und Konzepte für den Bereich der Südtiroler Siedlung in Wörgl.
Wie sind in die Jahre gekommene Stadtteile innovativ und nachhaltig neu zu denken? Die Stadtgemeinde Wörgl steht mit der Erneuerung der sogenannten Südtiroler Siedlung vor dieser Frage. Das große Wohnareal ist Ende der 30iger und Anfang der 40iger-Jahre des vorigen Jahrhunderts errichtet worden. Bausubstanz und Wohnqualität der Gebäude entsprechen den heutigen Anforderungen nicht mehr, ein Großteil des Stadtviertels soll neu gebaut werden. Dieser Neubau soll hoch energieeffizient ausgeführt werden und Teil einer Smart City-Strategie sein, wobei die Wohnqualität des Quartiers beibehalten bzw. verbessert werden sollte. In diesem Kontext hat der Cluster Erneuerbare Energien Tirol der Standortagentur Tirol das Hochschulcafe 2014 initiiert. Im Rahmen des interdisziplinären Praxisprojektes entwickelten Studierende der Universität Innsbruck und der FH Kufstein verschiedene Projektstudien mit nachhaltigen Konzepten für das Areal. Insgesamt 16 beeindruckende Entwürfe präsentierten sie gestern Nachmittag im Wörgler Veranstaltungszentrum Komma.
Integrale Planung als Schlüssel zu nachhaltigen Konzepten
Die Ergebnisse der Arbeiten konnten sich sehen lassen. Detailideen reichten von Autofreiheit oder mehr Baufläche bei gleichbleibender Grünfläche dank weniger Raum für den Verkehr über Generationen-Wohnen und Raum für Senioren-WGs bis hin zu entspannenden Wasserflächen in den Grünbereichen, Dächern zum Gärtnern und Anbauen von eigenem Gemüse, einem flächengeleiteten direkteren Zugang zur Bahnhofstraße ab Einkaufszentrum M4 und durchdachten Verleihradsystemen. Alle teilnehmenden Teams waren im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen vor die Herausforderung gestellt worden, interdisziplinär zu arbeiten und damit integral zu planen. Zum einen sollten die Raumentwicklungskonzepte den Wohnraum architektonisch anspruchsvoll gestalten und ressourcenschonende Technologien einsetzen. Zum anderen sollten sie aber auch einer möglichen Nutzungsmischung, nachhaltiger Mobilität, Leistbarkeit und sozialen Aspekten wie der Kommunikation nach außen und innen besondere Berücksichtigung schenken. Der öffentliche Raum sollte so gestaltet werden, dass er Aufenthaltsqualität hat und als Begegnungs- und Kommunikationsraum dient. Von Seiten der Stadtgemeinde Wörgl gab es keine Vorgaben für die Studierenden, so blieben diese in ihrer Ideenfindung frei.
Auf Basis von Potenzialanalysen lieferten Studierende des Instituts für Städtebau und Raumplanung an der Universität Innsbruck zunächst die städtebaulichen Entwürfe. Für die Entwürfe der angehenden Architektinnen und Architekten stellten Studierende des Arbeitsbereiches Intelligente Verkehrssysteme (ebenfalls Uni Innsbruck) auch die künftige verkehrliche Situation dar und leiteten Empfehlungen zum Beispiel betreffend der Lage von Garagenzufahrten, betreffend neuen Bushaltestellen City Bus sowie für Maßnahmen im untergeordneten Straßennetz ab. Studierende der FH Kufstein arbeiteten im Rahmen der Lehrveranstaltung „Immobilienentwicklung“ am Praxisprojekt: Sie planten und beurteilten Konzepte zum Beispiel unter Berücksichtigung von Bebauungskennzahlen, konkretisierten Baukörper in Bezug auf eine wirtschaftliche Planung, oder untersuchten die sich aus der Projektierung erzielbaren Grundstückspreise und deren Einflussgrößen.
08. – 27. Juli: Entwürfe und Ergebnisse werden ausgestellt
Das im März gestartete Hochschulcafe 2014 des Clusters Erneuerbaren Energien Tirol ist mit der heutigen Präsentation im Komma abgeschlossen. Für die Öffentlichkeit gibt es die Möglichkeit, die im Hochschulcafe 2014 entstandenen Konzepte im Rahmen einer eigenen Ausstellung zu besichtigen. Diese wird vom Stadtbauamt Wörgl von 8. bis 27. Juli 2014 in der Galerie am POLYLOG organisiert.
Statements
Bürgermeisterin Hedi Wechner, Stadt Wörgl:
„Wörgl will bis 2025 energieautark sein. Um das Ziel der Selbstversorgung zu erreichen müssen wir die Stadtentwicklung integriert planen. Mit der Zusammenarbeit im Rahmen des Hochschulcafes 2014 leben Tiroler Studierende diese Interdisziplinarität vor und liefern eine ganze Reihe toller Ideen und Ansätze für den Neubau-Bereich der Südtiroler Siedlung. Ich freue mich sehr über die wertvollen Beiträge und bedanke mich bei den Studierenden und allen Betreuerinnen und Betreuern herzlich für den engagierten Einsatz.“
Univ.-Prof. Arch. DI Dr. Maria Schneider, Institut für Städtebau und Raumplanung, Universität Innsbruck:
„Stadtentwicklung muss mehr denn je auf städtebaulich innovativen Gesamtkonzepten basieren. In dieser Hinsicht sind die vorliegenden Studierendenprojekte ein Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt schaffen die vorgestellten Konzepte die Grundlage für eine Smart City im weiteren Sinn: eine nachhaltige Stadt, die allen Generationen, allen Nationalitäten und allen Bevölkerungsschichten einen gesunden und sicheren Lebensraum mit hoher Lebensqualität bietet.“
Ursula Faix, bad architects ZT KG, Innsbruck:
„Wir durften die angehenden Architektinnen und Architekten bei der Entwicklung ihrer Arbeiten für das spannende Projekt in Wörgl mit anleiten. Für ihre Entwürfe sind die Studierenden von einem kompletten Abriss und Neubau der betreffenden Siedlung ausgegangen und haben auch weitere Wohngebäude und Grundstücke in die städtebaulichen Überlegungen mit einbezogen. Die Bebauungsstruktur ist zentral 4-5 geschossig und an den Rändern 2-3 geschossig. In der Regel wird sie durch einen oder mehrere Stadtteilplätze aufgelockert.“
Univ.-Prof. Dr. DI Markus Mailer, Arbeitsbereich Intelligente Verkehrssysteme, Universität Innsbruck:
„In unserem Arbeitsbereich wurde in Kleingruppen von 2-3 Studierenden eine Verkehrsmodellierung mit einer speziellen Software durchgeführt. Unsere Teams berechneten unter anderem, wie stark die Reduktion der Stellplatzanzahl auf durchschnittlich einen Stellplatz pro Wohneinheit das Verkehrsaufkommen reduziert und wie durch die Anordnung der Garagenzufahrten verschiedene Straßen deutlich entlastet werden können.“
Asc.Prof. (FH) Mag. (FH) Emanuel Stocker, FH Kufstein, Studiengang Facility- und Immobilienmanagement:
„Dass unsere Studierenden Entwürfe und Berechnungen zwar fiktiv, aber für ein real existierendes Gelände entwickeln durften, hat diese enorm motiviert. Natürlich haben wir das Gebiet im Vorfeld auch besichtigt, damit diese sich auch mit der bestehenden Bebauung auseinandersetzen konnten. Mir persönlich ist zudem wichtig, dass sie hautnah die Chancen, aber auch Risiken an einem realitätsnahen Projekt mit allen seinen Facetten bzw. seinen technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Herausforderungen, erleben konnten. Insbesondere durch die Abstimmung mit den unterschiedlichen Leistungsträgern vom Start weg konnten verschiedene Sichtweisen und Meinungen zugelassen werden. An dieser integralen Planung führt heute kein Weg mehr vorbei.“
Engelbert Spiß, Neue Heimat Tirol:
„Die Studierenden haben eindrucksvolle Projekte und innovative Ideen präsentiert. Mit diesen ist es ihnen bereits in ihrer Ausbildungszeit gelungen, ganz weit über den Tellerrand hinauszuschauen. Das freut mich sehr, denn sie sind die Verkehrsplaner, Architekten und Immobilienentwickler von morgen. Im Rahmen einer realen Weiterentwicklung der Wörgler Südtiroler Siedlung wird die Neue Heimat Tirol neben allen Leistungsträgern natürlich auch die konkreten Bedürfnisse und Ideen der heutigen Bewohnerinnen und Bewohner mit einbeziehen.“
Dr. Harald Gohm, Standortagentur Tirol:
„Die heimischen Cluster wie der Cluster Erneuerbare Energien Tirol sind wichtige Begleiter der Zusammenarbeit von Forschung, Bildung und Wirtschaft. Eine Zusammenarbeit, die auch bei der Entwicklung von Städten und Gemeinden Grundlage jeder Aktivität sein muss. Denn auf die komplexen Fragen der Zeit, und Energie und Mobilität sind nur zwei davon, finden nur mehr interdisziplinäre oder fachübergreifende Teams die richtigen Antworten. Für mich ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten am vorgestellten Projekt in Wörgl Best Practice. Ich hoffe, es motiviert am Standort zu zahlreichen Kooperationen ähnlichen Formates.“
Hintergrundinformation
Der Cluster Erneuerbare Energien Tirol koordiniert für markante Energievorhaben am Standort interdisziplinäre Praxisprojekte für Studierende an den Tiroler Hochschulen. Seinen Ursprung nahm dieses Konzept bei einem vom Verein Energie Tirol initiierten Dialogtermin zu einem sogenannten Tiroler „Hochschulcafe“ im Jahr 2012. Projektträger profitieren von neuen Ideen und Know how-Zugewinn am Stand der Technik. Die Studierenden erhalten eine einmalige Chance, im eigenen Forschungsbereich praxisnah an realen Projekten zu arbeiten und machen wertvolle Erfahrungen bei der im Sektor immer wichtiger werdenden Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen. Beim Projekt in Wörgl, dem zweiten Projekt überhaupt, reichten diese Disziplinen von Architektur, Gebäudetechnik und Bauträgerschaft über die Stadt- und Raumplanung bis hin zur Energieversorgung. Die Projektauswahl treffen Vertreter aus dem Cluster Erneuerbare Energien Tirol, von Energie Tirol sowie aus den beteiligten Tiroler Hochschulen in einer mehrheitlichen Abstimmung.
Rückfrageinformation:
Stadtgemeinde Wörgl
DI Hermann Etzelstorfer
Stadtbaumeister
h.etzelstorfer@stadt.woergl.at
+43.5332.7826.170
+43.664.88745.169
Standortagentur Tirol
Jutta Schrattenthaler
Presse & Medien
jutta.schrattenthaler@standort-tirol.at
+43.512.576262.37
+43.676.843101237