STANDORT:
Warum ist F&E – ge-
rade auch in Krisenzeiten – für
Unternehmen wichtig?
KARL AIGINGER:
Krisen sind der
Zeitpunkt, an dem man die Not-
wendigkeit von Veränderungen
sieht. Nicht mehr alle bisherigen
Produkte und Dienstleistungen
können verkauft werden. Neue
Produkte bedürfen ein Mindest-
maß an Eigenforschung oder zu-
mindest Anpassung an neue Be-
dürfnisse, Problemlösungen, dazu
ist immer mehr Forschung not-
wendig, da einfache Adaptionen
auch in Billiglohnländern möglich
sind.
STANDORT:
Wo liegen – speziell
für KMUs – die Chancen in der
Zusammenarbeit mit Forschungs-
institutionen und Universitäten?
AIGINGER:
KMUs können sich
meistens keine eigene Forschungs-
abteilung leisten, sie können
auch nicht die gesamte Kette von
Grundlagenforschung über ange-
wandte Forschung bis zu Innova-
tion leisten. Es ist daher wichtig,
auf bestehende Forschung aufzu-
bauen und sich dann eine speziel-
le Linie auszusuchen, die für das
Unternehmen geeignet ist.
STANDORT:
Beobachten Sie eine
„Hemmschwelle“ bei KMUs mit
Forschungsinstitutionen und Uni-
versitäten zusammenzuarbeiten?
Wenn ja, warum?
AIGINGER:
Ja, die Kultur eines
kundennahen Betriebs und einer
theoriebasierten Universität un-
terscheiden sich sehr. Manager in
KMUs haben früh das Bedürfnis
etwas umzusetzen, auch wenn es
Risiko beinhaltet. Forscher an der
Universität wollen Innovationen
erst dann publizieren und freige-
ben, wenn die Ergebnisse vielfach
und nachvollziehbar abgesichert
sind. Mobilität zwischen Firmen
und Universitäten, auch die teil-
weise Rückkehr von Praktikern in
die Ausbildung (z.B. zwecks Mas-
terstudium), senken die Barrieren
entscheidend.
STANDORT:
Wie bewerten Sie
die Kooperation von KMUs, um
gemeinsam auf F&E zu setzen?
AIGINGER:
Kooperationen sind
überaus effizient, aber die Voraus-
setzungen dafür sind oft schwierig.
Kooperationen müssen auf einer
gemeinsamen Technologie, ge-
meinsamen Kultur aufbauen und
trotzdem darf der Konkurrenz-
aspekt nicht zu stark sein. Koope-
rationen zwischen Betrieben und
Fachhochschulen sind oft leichter
als Kooperationen zwischen Be-
trieben.
STANDORT:
Vor Wirtschaftsjour-
nalisten haben Sie ein „Impulspa-
ket“ in Form eines „Vitaminstoßes“
für die Wirtschaft gefordert – was
kann man sich darunter konkret
vorstellen?
AIGINGER:
Es ist wichtig, dass die
Wirtschaft am Beginn der Pha-
se der Budgetkonsolidierung auf
einem relativ hohen Wachstums-
und Beschäftigungsniveau liegt.
Dafür sollte hier noch einmal etwa
eine Milliarde Euro für Zukunfts-
investitionen in Bildung, Kinder-
gärten, Forschung, energetische
Sanierung ausgegeben werden. ]
Interview. WIFO-Leiter Karl Aiginger über die Bedeutung von F&E in Krisen-
zeiten und warum KMUs von F&E-Kooperationen besonders profitieren können.
Dr. Karl Aiginger: „Mobilität zwischen Firmen und Universitäten, auch die teilweise
Rückkehr von Praktikern in die Ausbildung, senken die Barrieren entscheidend.“
Kooperationen sind
überaus effizient
Standort
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STANDORT 01|10
[ Thema: Inhalt ]
Karl Aiginger über den Nutzen von
Forschung und Entwicklung für KMUs
STANDORT
[ zukunftsstiftung ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]
Erneuerbare Energien
Seite 3
[ Thema: Impressum ]
STANDORT. Aktuelle Nachrichten der Tiroler
Zukunftsstiftung und ihrer Clusterinitiati-
ven. Ausgabe 0110 | Herausgeber: Tiroler
Zukunftsstiftung – Standortagentur des Landes
Tirol. Kaiserjägerstraße 4a, 6020 Innsbruck|
Verleger: ECHO Zeitschriften- u. Verlags
GmbH | Redaktion: David Bullock, Andreas
Hauser, Gernot Zimmermann | Fotos: An-
dreas Friedle| Layout: Thomas Binder, Armin
Muigg | Druck: Alpina
3 2
1
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N
r. 4.
| Jg. 02
AKTUELLE NACHRICHTEN DER TIROLER ZUKUNFTSSTIFTUNG
Die neuen K-Regio-Gelder und die
Chancen des Kompetenzzentrums ProSolar
Foto: Europäischer Sozialfonds
„Eye of the Wind“ – die gigantische Leit-
ner-Windenergieanlage in Vancouver
Das Österreich-Haus in Whistler Mountain
als Vorzeigeprojekt in Sachen Energieeffizienz
Mechatronik
Seite 4
Reinhard Waltl hat sich auf die Wasser-
strahlschneidtechnik spezialisiert
Der Holzscanner von MM-Design wurde
mit dem „red dot design award“ ausgezeichnet
Informationstechnologie
Seite 5
Koch Media besticht durch Produktion
und Vermarktung von digitalem Entertainment
Die Wissenschaftlerin Ulrike Hugl über das
Thema Informationssicherheit in Unternehmen
Wellness
Seite 6
Warum ein falscher Führungsstil zum
Burnout führen kann
Das Hotel St. Zeno in Serfaus hat sich am
Markt als Kinderhotel positioniert
Life Sciences
Seite 7
Innsbrucker Forscher suchen eine Thera-
pie für Chorea Huntington
Gian-Marco Cabibbe setzt auf schnell
umbaubare Rettungsfahrzeuge
Anstoß zu einer weiteren Aufholjagd
[ FORSCHUNGSFÖRDERUNG ]
E
s war eine rasante Aufholjagd, die Tirol im Jahr 2002 gestartet hat. Die Tiroler
Unternehmen konnten bis zum Jahr 2006 ihre Ausgaben für Forschung und
Entwicklung (F&E) um insgesamt 37,31 Prozent steigern – Platz 1 im Bundeslän-
dervergleich. Doch zwischen 2006 und 2007 kam es zu einem kleinen Einbruch.
Investierte der Unternehmenssektor 2006 noch 270,5 Millionen Euro in Inves-
titionen, waren es 2007 „nur noch“ 265 Millionen. Mit ein Grund für die Tiroler
Zukunftsstiftung, ein eigenes Förderpaket zu schnüren. Bei K-Regio können Tiroler
Betriebe und wissenschaftliche Einrichtungen gemeinsame Forschungs- und Ent-
wicklungsprojekte einreichen. K-Regio-Projekte werden seit September 2009 auch
aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert
(mehr zu K-Regio siehe Seite 2). Für Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf
ist eines klar: „Um wettbewerbsfähig zu bleiben ist es entscheidend, dass unsere
Unternehmen ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung erneut steigern.
Das ist vom hohen bereits erreichten Niveau aus schwieriger als zuvor – trotzdem
bin ich sehr zuversichtlich.“
TOP-FORSCHUNG
D
as Times Higher Education (THE)
Ranking im Bereich Physik listet
Österreich weltweit auf Platz vier. Mit
dem Forschungsschwerpunkt Physik
(Quantenphysik, Ionenphysik und
Astro- und Teilchenphysik) hat die Uni
Innsbruck maßgeblichen Anteil an die-
sem Erfolg. Das THE-Ranking berück-
sichtigt zwei Faktoren: die Anzahl der in
einschlägigen Fachjournalen publizierten
wissenschaftlichen Beiträge in den
Jahren 1999 bis 2009 und wie oft diese
Artikel von anderen Wissenschaftlern
zitiert werden. Aus diesen ergibt sich
ein Durchschnittswert von Zitierungen
pro Artikel. Mit 14,03 Zitierungen pro
Artikel liegt Österreich nur knapp hinter
den USA, Platz 1 belegt die Schweiz.
B
etriebsan-
siedlung ist
ein besonders
konjunktursen-
sibles Geschäft.
Deshalb ist es
in Krisenzeiten
ratsam, Stand-
ortmarketing
noch stärker an Qualitätsmaßstäben zu
orientieren. Die Tiroler Zukunftsstiftung
praktiziert dies seit Jahren – soeben wie-
der mit dem ganz gezielten Auftritt der
Tiroler Energietechnologien in Whistler
– und auch ABA-Invest in Austria setzt
als bundesweite Agentur besonders auf
zwei Felder, die ausschließlich qualitativ
hochwertige Investitionen ansprechen.
Die Initiative „Forschungsplatz Öster-
reich“ soll unser Land internationalen
Entscheidungsträgern als hochinnova-
tiven Standort präsentieren. Wie eine
internationale Umfrage unter Mana-
gern und Forschern gezeigt hat, wird
Österreich nach wie vor stark mit Kultur
und Tourismus verknüpft – internati-
onal bedeutsame Forschung erwartet
man eher von Schweizern, Schweden
oder Finnen. Diesen Klischees soll die
Kampagne entgegenwirken. Dabei
wird etwa die Tiroler Quantenoptik-
Forschung ebenso präsentiert wie das
Forschungszentrum ONCOTYROL.
Das zweite Projekt soll vorhandene
Wertschöpfungsketten mithilfe von
gezielten Betriebsansiedlungen kom-
plettieren. Auf Basis einer regionalen
Bedarfsanalyse wird die ABA mit ihrem
Netzwerk tätig, um exakt jene wenigen
Unternehmen rund um den Globus
anzusprechen, die am besten das tech-
nologische Suchprofil erfüllen. Insbeson-
dere für die Tiroler Cluster steckt hier
die Chance, ihre Wertschöpfungsketten
abzurunden. Denn gerade in der Krise
darf die langfristig orientierte, strategi-
sche Strukturpolitik keinesfalls vernach-
lässigt werden.
Kampagne
gegen Klischees
GASTKOMMENTAR
”
DR. RENÉ SIEGL
GF der Austrian Business Agency
Foto: ABA
Foto: Friedle
„LAWINENRADAR“
D
as Tiroler alpS – Zentrum für Na-
turgefahren- und Risikomanage-
ment hat gemeinsam mit der Uni Inns-
bruck ein luftgestütztes Radarsystem
zur schnellen Ortung von Lawinenver-
schütteten entwickelt. PASS – Personal
Avalanche Secure System entstand im
Rahmen eines mehrjährigen, öffentlich
geförderten Forschungsprojekts (Kplus)
und steht nun nach knapp fünfjähriger
Entwicklungs- und Testphase kurz vor
der Praxiseinführung. Durch die am
Hubschrauber angebrachte Radaran-
tenne werden hochfrequente Impulse
auf einen Lawinenkegel gerichtet. Die
ausgestrahlten Signale dringen im tro-
ckenen Schnee bis zu zehn Meter tief
ein und reflektieren an Hindernissen.
Prof. Dr. Karl Aiginger ist Leiter
des Österreichischen Instituts für
Wirtschaftsforschung (WIFO)