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STANDORT:

Was kann ein Öko-

nom über das Thema Glück sagen?

HANNES LEO:

Einerseits viel und

andererseits wenig. Glück und Le-

benszufriedenheit sind ein Ziel

wirtschaftlichen Handelns. Die Er-

gebnisse der Messungen werden

allerdings selten berücksichtigt.

Wenn es um die Bestimmung des

Wohlstands geht, ist das BIP der In-

dikator. Das derzeitige statistische

System ist nicht geeignet, Glück und

Lebenszufriedenheit zu erfassen.

STANDORT:

Können Sie das kon-

kretisieren?

LEO:

Was kommt in die Statistik,

wenn man im Stau steht – der Ben-

zinverbrauch, was das BIP erhöht

und das Wachstum steigert. Gleich-

zeitig steigert es aber Unzufrieden-

heit, CO

2

-Ausstoß, Klimawandel etc.

In der Statistik bleiben aber nur die

Auswirkungen auf das BIP. Das BIP

an sich bereitet aber noch andere

Probleme. So wird die Qualität der

hergestellten Produkte unterschätzt.

STANDORT:

Gibt es andere Ansät-

ze?

LEO:

Viele Ökonomen haben dar­

über nachgedacht, ob es alternative

Konzepte zur besseren Abbildung

von Lebenszufriedenheit gibt, so

etwa eine vom Wirtschaftsnobel-

preisträger Joseph Stiglitz geleite-

te Kommission. Das Ergebnis war,

dass diese BIP-Fokussierung redu-

ziert und gleichzeitig das BIP bes-

ser berechnet werden sollte, dass

man aber auch die Lebensqualität

in allen Dimensionen – materielle

Situation, Gesundheit, Ausbildung,

Mitbestimmung, Umweltsicherheit

etc. – als Indikator in die Rech-

nung einbeziehen sollte. Ein dritter

Aspekt ist die Nachhaltigkeit des

Systems. Das BIP zeigt ja nur, was

jetzt verbraucht wird, und nicht die

Veränderung der Bestände, die Um-

weltqualität, die Rohstoffe etc. Das

muss aber alles Teil der Berechnung

sein, um ein eher holistisches Bild

der wirtschaftlichen Aktivitäten zu

bekommen.

STANDORT:

Wie wird Glück ge-

messen?

LEO:

Im Prinzip mit sehr einfachen

Fragen für viele unterschiedliche

Aggregate, wie zufrieden eine Per-

son ist. Für Europa zeigen diese Un-

tersuchungen, dass Österreich, die

Schweiz und die skandinavischen

Länder zu den glücklichsten Län-

dern gehören – international liegt

Österreich auch sehr weit vorn.

Wirklich interessant für die poli-

tische und ökonomische Diskussi-

on wird Glücksforschung aber erst

dann, wenn man in die Details geht.

STANDORT:

Zum Beispiel?

LEO:

Ohne Arbeit ist man viel we-

niger glücklich – dabei geht es nicht

um das Einkommen, sondern um

die Beschäftigung. Ein weiteres Er-

gebnis: Einkommen ist für Glück

sehr wohl positiv, aber nur bis zu

einem Schwellenwert von 75.000

Euro im Jahr – darüber wird man

nicht noch glücklicher. Glück ist

auch relativ zur Umgebung. So

werden Menschen in Regionen mit

ungleicher Einkommensverteilung

oder hoher Arbeitslosigkeit zuneh-

mend unglücklicher – auch wenn

sie Arbeit und hohes Einkommen

haben.

STANDORT:

Was heißt das für Ti-

rol?

LEO:

Dass man zu den „harten“

Faktoren für den wirtschaftlichen

Ist-Zustand auch – so wie mit der

„Zum Glück Tirol“-Kampagne – die

„weichen“ hinzuzieht, um mit die-

ser weiteren Säule die gesellschaft-

liche und wirtschaftliche Entwick-

lung besser beurteilen zu können

– und das kontinuierlich. Gemein-

sam ergeben dann das BIP, das

Glücksgefühl der in Tirol lebenden

Menschen sowie die ökonomische

Nachhaltigkeit ein Gesamtbild über

die wirtschaftliche Attraktivität Ti-

rols.

]

Wirtschaftsforscher Hannes Leo über die Probleme der BIP-Fokussierung, um

Wohlstand zu erfassen, und die Bedeutung von Glück für den Standort Tirol.

Glück ist auch ein

Wohlstandsindikator

Standort

Seite 1 | 2

STANDORT 03|12

[ Thema: Inhalt ]

Wirtschaftsforscher Hannes Leo über den

wichtigen Stellenwert von Lebenszufriedenheit

standort

[ standortagentur ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]

Erneuerbare Energien

Seite 3

[ Thema: Impressum ]

STANDORT. Aktuelle Nachrichten

der Standortagentur Tirol und ihrer

Clusterinitiativen. Ausgabe 03|12

Herausgeber: Standortagentur Tirol,

Ing.-Etzel-Straße 17, 6020 Innsbruck

Verleger: ECHOZeitschriften- u. Verlags

GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6, 6020

Innsbruck | Redaktion: Andreas Hauser, Hugo

Huber | Fotos: Andreas Friedle| Layout: Tho-

mas Binder, Armin Muigg | Druck: Alpina

3 2

1

4 5 6 7 8

Nr. 14 | Jg. 04

aktuelle nachrichten der STANDORTAGENTUR TIROL

Ein MRT-Belastungsergometer ermöglicht

neue Einblicke ins Herz

Foto: Friedle

Vent4Reno soll den Einbau von Komfort-

lüftungen bei Gebäudesanierungen erleichtern

TIWAG-Experte Peter Bauhofer über die

Zukunft der europäischen Energieversorgung

Mechatronik

Seite 4

Die HTL-Ausbildung hat einen hohen

Qualitätsanspruch, sagt LSI Kurt Falschlunger

MCI-Forscher Andreas Mehrle über den

neuen Studienzweig Elektrotechnik

Informationstechnologie

Seite 5

Klein&Partner implementierte in Niederö-

sterreich einen ausfallsicheren Kulturserver

Das kontaktlose Zutrittssystem von Hörl

EDV sorgte im Austria House Tirol für Aufsehen

Wellness

Seite 6

Die AMAS-Studie soll die Auswirkungen

von Kurzurlauben in mittlerer Höhe belegen

Johann Mauracher glaubt, dass ein Um-

denken im Tiroler Tourismus stattfinden muss

Life Sciences

Seite 7

„VocOnCell“ soll die Auswirkungen von

flüchtigen organischen Stoffen beschreiben

adventure-X-Siegerin Dorothee von Laer

bekämpft Tumorerkrankungen mit Viren

Zum Glück Tirol

[ standortentwicklung ]

D

ass das BIP als Gradmesser des nationalen Wohlstands und der Lebensqua-

lität nicht mehr ausreicht, darüber sind sich Politiker und Ökonomen einig.

Lebenszufriedenheit wird immer wichtiger für die Standortattraktivität (siehe

Interview mit Dr. Hannes Leo). Ein Indikator, bei dem das Land Tirol punkten

kann. Laut einer aktuellen Studie empfinden 76 Prozent der Tirolerinnen und

Tiroler ihre Heimat als attraktiven Standort zum Leben und Arbeiten, 84 Prozent

sehen Tirol im Hinblick auf das Thema Gesundheit positiv. „Der Wirtschaftsstand-

ort Tirol hat sehr an Attraktivität gewonnen, weil wir uns bei den harten Standort-

faktoren deutlich verbessert haben. Ein Standortfaktor, der jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Lebenszufriedenheit.

Dies müssen wir stärker in den Vordergrund rücken, um Vorteile für die Wirtschaft in Tirol zu generieren und uns damit auch im

Vergleich zu anderen Standorten sehr gut positionieren zu können“, unterstreicht Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf die

Intention der neuen „Zum Glück Tirol“-Kampagne. Die Kampagne

(www.zumgluecktirol.at)

verfolgt das Ziel, über verschiedene

Kanäle mit ausgesuchten Testimonials Tirol als Standort für Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Unternehmensgründung zu

vermarkten und zu stärken. „Mit ‚Zum Glück Tirol‘ wollen wir für die Besonderheiten und Potenziale unseres Standorts Bewusst-

sein schaffen und motivieren, gemeinsam Initiativen zu ergreifen“, hält dazu Harald Gohm, GF der Standortagentur Tirol, fest.

Machbarkeit

K

ann aus einer Idee ein innovatives

Produkt werden? Eine entschei-

dende Frage, vor allem aber ein Weg, auf

dem so manche Hürde liegt. Zwei sol-

cher (Tiroler) Ideen werden nun durch

die Tiroler Landesregierung gefördert. Im

Projekt BionicDrive arbeiten die Abtei-

lung für experimentelle Orthopädie der

Uniklinik für Orthopädie, die Firma Sistro

und das Ingenieursbüro Mintscheff an der

Konstruktion und industriellen Umset-

zung eines miniaturisierten stufenlosen

Getriebes. In der Machbarkeitsstudie

BiostiXX wollen Falkner Maschinenbau,

SynCraft Engineering und das MCI eine

mobile Pelletiermaschine entwickeln.

Den zwei Machbarkeitsstudien stehen

90.250 Euro zur Verfügung.

D

ie Geschichte

der Zivilisa-

tion ist auch die

Geschichte einer

Abfolge von Innova-

tionen. Grund dafür

ist die zweifache

Natur des Men-

schen: Er ist sowohl

homo ludens

, also kreativ und schöpferisch,

als auch

homo faber

, d.h. ein mit hand-

werklichem Geschick ausgestattetes We-

sen, das seine natürlichen Mängel durch

technische Hilfsmittel ausgleichen muss.

Beide Wesenszüge veranlassten den Men-

schen, seine Lebensqualität ständig ver-

bessern zu wollen – durch Wissenschaft,

Forschung und Innovationen. Die Industri-

alisierung schließlich ermöglichte erstmals

in der Menschheitsgeschichte Wohlstand

für breite Teile der Bevölkerung. Noch

vor 100 Jahren hatte kaum jemand ein

Wasserklosett, ein Telefon oder ein Auto.

Gab es 1962 in Österreich 404.042 PKW,

sind es heute 4.560.808. Gleichzeitig stieg

aber auch der Verbrauch an Erdöl von 1,1

Gigatonnen im Jahr 1960 auf knapp vier

Gigatonnen im Jahr 2011. Die Heraus-

forderungen der Zukunft verlangen daher

neue Anstrengungen. Klimawandel,

Energieversorgung und demografischer

Wandel sind nur einige Stichworte, die

zeigen, dass der Mensch künftig noch stär-

ker in seiner Gesamtheit – als

homo ludens

und

homo faber

– gefordert ist. Dabei geht

es um technologische Lösungen, aber

auch um soziale Innovationen. Heute

schon werden diejenigen bestraft, die sich

der Innovation und der Veränderung ver-

schließen. In unserer globalisierten Welt

werden Bildung, Forschung und Innovati-

on immer mehr zu den entscheidenden

Faktoren im internationalen Wettbewerb.

Dieser Entwicklung kann sich auch Öster-

reich nicht entziehen, wenn es sein hohes

Wohlstandsniveau und seine Lebensquali-

tät sichern will.

„Können uns

nicht entziehen“

Gastkommentar

Dr. Hannes Androsch

Vorsitzender des Rates für Forschung und

Technologieentwicklung

Offensive

D

as Land Tirol setzt einen weiteren

Schritt auf dem Weg zum Tech-

nologieland. Mit den zwei Lehrstühlen

„Fertigungstechnik“ und „Maschinenele-

mente und Konstruktionstechnik“ an der

Fakultät für Bauingenieurwissenschaften

der Universität Innsbruck finanziert das

Land Tirol nun fünf von acht Profes-

sorenstellen für das Mechatronikstudium

an der Uni Innsbruck und der Tiroler

Privatuni UMIT. Die Kosten der zwei

Lehrstühle im Rahmen der Technologie-

offensive betragen 600.000 pro Jahr, die

Finanzierung läuft für fünf Jahre. Und die

Anstrengungen der letzten Jahre tragen

bereits Früchte: Mit aktuell etwa 2600

Studierenden im Technikbereich liegt

Tirol im Ländervergleich im Spitzenfeld.

Foto: Standortagentur Tirol

Foto: Roman Zach-Kiesling

Dr. Hannes Leo ist Wirtschaftsforscher

und Berater im Bereich Research and

Policy Consulting

Hannes Leo: „Glück und Lebenszufrieden-

heit sind Ziel wirtschaftlichen Handelns.“

LRin Patrizia Zoller-Frischauf und Harald Gohm

werben mit Glück in Kürze auch im Ausland.