20.06.2018
Aktuell ist es die Digitalisierung, die neue Türen öffnet - durch die aber nicht jeder gesundheitsbewusste Gast automatisch gehen will, manche streben ganz im Gegenteil nach "Digital Detox".
Das Geschäft mit Gesundheit und Wohlbefinden ist eine Goldgrube. Eine Reihe von Angeboten zur Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit wurde von der Wellnessbranche bereits entwickelt und erfolgreich auf den Markt gebracht. Diese Angebote sind angepasst an die Ansprüche von Gästen, die sich heute ebenso wie deren Auffassung von Gesundheit, Wohlbefinden und Glück laufend ändern. Aktuell ist es die Digitalisierung, die neue Türen öffnet – durch die aber nicht jeder gesundheitsbewusste Gast automatisch gehen will, manche streben ganz im Gegenteil nach „Digital Detox“. „So wie die Gäste selbst ist auch die Wellnessbranche hin- und hergerissen zwischen der Hi-Tech-Wellness-Innovation aus dem Silicon Valley und der Anti-Tech-Philosophie, die sich auf eine bisher engere Position der Wellnessbranche bezieht, die sich weitgehend um uralte alternative Praktiken dreht“, attestierte etwa David Bosshart, Trendforscher und Geschäftsführer des GDI Gottlieb Duttweiler Institute for Economic and Social Studies, unlängst beim Tiroler Wellnesskongress der Standortagentur Tirol in Innsbruck. In seiner aktuellen Studie „Wellness 2030. Die neuen Techniken des Glücks“ wagt Bosshart eine Decodierung des Glücks. Auf der einen Seite stehe die Wellness-Bewegung, die Gesundheit nicht mehr nur als Abwesenheit von Krankheit sieht, auf der anderen Seite stünden die Werkzeuge des Geistes, also die richtige Haltung, Achtsamkeit und andere Formen der Selbstreflexion. Durch die Digitalisierung seien diese Werkzeuge technisch erweitert worden und machten das Glück individuell messbar. „Wir sind immer weniger, wer wir waren, wir werden immer mehr, was wir aus uns machen“, so Bosshart, der beim Tiroler Wellnesskongress am 14. Juni auf der Villa Blanka als Hauptredner „Wege in ein neues Zeitalter“ aufzeigte.
Total digital, ganz normal
Seit 2012 hat sich der Wellnesskongress zum mittlerweile exklusiven Branchentreff der innovativen Wellnesshotellerie Westösterreichs entwickelt. Veranstaltet wird der Wellnesskongress vom Cluster Wellness der Standortagentur Tirol, einem Netzwerk aus über 100 Unternehmen, Wissenschafts-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen und Institutionen mit über 4.000 Mitarbeitern. Insbesondere decken die Clusterpartner die Technologiefelder Hardware- und Anlagenbau, Wellness und Gesundheit, Planung, Hotellerie, Consulting, Software und Forschung ab. „Über Cluster- und Branchengrenzen sowie Wissenschaftsdisziplinen hinweg treiben wir mit unseren insgesamt fünf Clustern Kooperationen voran, geben Impulse für die gemeinsame Innovationsarbeit und zeigen Trends auf. Gemeinsam mit unseren Clusterpartnern aus Wissen Geld in Form von Innovationen machen und Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen schaffen, ist unser primäres Ziel der Clusterarbeit“, erklärt Dr. Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol. Aktuell fokussiert der Cluster Wellness auf die Themen Neue Dienstleistungen im alpinen Gesundheitstourismus, Innovationen im 2. Gesundheitsmarkt, auf die Optimierung von Wellnessanlagen und auf Medizintourismus. Und natürlich auf das Metathema Digitalisierung. „Auch die Verschränkung von Freizeit, Gesundheit, Technologie und Wirtschaft wird künftig von Digitalisierung bestimmt werden. Mit der Digitalisierungsoffensive unterstützt das Land Tirol Unternehmen dabei, Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsprozesse mit den Mitteln der Digitalisierung zu optimieren. Dafür wurden drei neue Förderungen eingerichtet, von der auch Unternehmen aus der Gesundheits- und Freizeitwirtschaft profitieren. Bis 2023 stellt das Land Tirol im Rahmen der Tiroler Digitalisierungsoffensive insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung“, hielt Tirols Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf bei der Eröffnung des Wellnesskongress 2018 fest.
Der Mensch lebt nicht von Daten allein
„Wir werden uns Schritt für Schritt bewusst, wie wir mit Hilfe von neuen Technologien unser Potenzial erweitern, besser hören, sehen, schneller lernen und somit über uns hinauswachsen können“, umriss Bosshart die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung für die Angebotsentwicklung der Gesundheits- und Wellnessbranche eröffnet. Experience on demand, realer als real, auf Knopfdruck zum Glück: das sei bereits heute machbar. Daten-Selfies und Tracking Tools ermöglichen, das innere Wohlbefinden von Gästen zu messen. Spezielle Algorithmen übernehmen die Auswahl des Wellnesshotels für den Gast. Apps versuchen, Verhaltensmuster und Emotionen aus passiv verfolgten Smartphone-Daten abzuleiten. Und sogar die Yoga-Hose wird intelligent, wenn sie mit unserem Handy kommuniziert und flasche Körperhaltung korrigiert.
Doch es gibt auch konträre Stimmen. Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, etwa redete dem „Digital Detox in der Wellnesshotellerie“ das Wort und erkennt ein Bedürfnis nach Entschleunigung als attraktive Angebotsidee: „Die digitale Überforderung, die damit einhergehende Reizüberflutung und der Stress, vieles gleichzeitig tun zu müssen, wird für immer mehr Menschen zum Problem. Hier zeichnen sich neue Geschäftsfelder ab. Die Hotellerie darf diese Entwicklung nicht verschlafen. Mit Sicherheit gibt es in Zukunft Bedarf an digitalfreien Orten, ähnlich wie Nichtraucherzonen. Und wenn schon online, dann über die neu entwickelten optischen WLAN‐Hotspots, die verträglicher sind und zum Strahlenschutz beitragen“, ist Reisenzahn überzeugt. Sich ändernde und in sich diverse Gästestrukturen und –wünsche machte auch Daniel Schneider, Managing Partner der Monoplan, am Wellnesskongress aus. „Die Gästestrukturen ändern sich. Die Wünsche, Erwartungen und Werte dieser neuen Gäste haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Branche. Spa und Wellness ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr und erzeugt daher keinen wow-Effekt mehr. Vielmehr wird ein Wellness-Angebot von vielen Gästen heute als Standard erwartet. Daraus folgend ist ein Zwang zur Differenzierung zu beobachten, um sich im großen Wellness Angebot abzuheben. Der Zuschnitt auf klare Zielgruppen ist dabei eine Möglichkeit“, meint Schneider.
Downloads (pdf) - Vorträge vom Tiroler Wellnesskongress
Der Markt im Wandel - das innovative Geschäftsmodell der harry's home hotels
Mag. H. Ultsch / harry's home
Die richtige Zielgruppenansprache als Erfolgsfaktor der Wellness-Branche
T. Knob / Camao
Emotionalisierung von Räumen
SHA / SHA.Art
Weiterbildungsprojekt Qualifizierungsnetz E-PAST
E.Thompson / Universität Innsbruck
Best Practice im Gesundheitstourismus: Gesundheitswandern
J. Strickner / TVB Wipptal
Die Hotellerie und die Zukunft des Schlafens
T. Reisenzahn / Prodinger Tourismusberatung
Das Ende der klassischen Wellnesshotellerie? Risiken und Chancen durch Wandel
D. Schneider / Monoplan
Trendscouting Wellness 2.0
Studentinnen der Universität Innsbruck & UMIT
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