30.06.2022
Mit spektakulären Projekten rund um die Wasserstoff-Technologie sorgte Tirol in jüngster Vergangenheit für Schlagzeilen. Nun ist es einem Tiroler Konsortium gelungen, fünf Millionen Euro für emissionsfreie H2-Mobilität auf die Beine zu stellen. Neben dem Projekt "H2Alpin" umfasst dieses auch die Anschaffung von Brennstoffzellen-LKWs und Bussen für den Güter- und Personennahverkehr in Tirol. Ziel des Projektes ist es, wichtige Erkenntnisse und Grundlagen für die Mobilitätswende zu schaffen. Unterstützt wird das Pilotprojekt mit zwei Millionen Euro aus den Fördertöpfen des Klima- und Energiefonds sowie der KPC.
Wasserstoff ist bei Expert:innen als „Energie-Allrounder“ mit großem Potential bekannt: Ob im Bereich der Industrie, als Energiespeicher oder im Transport – Wasserstoff gilt als eine vielversprechende Zukunftstechnologie. Neben der festgelegten Tiroler Wasserstoff-Strategie 2030, die von der Lebensraum Tirol Holding begleitet wird, hat sich Tirol bereits mit konkreten Projekten von internationaler Strahlkraft als Vorzeigeregion präsentiert: sei es mit Unternehmen wie MPREIS, die Pionierarbeit in Sachen Wasserstoff-Technologie leisten, dem Landesenergieversorger TIWAG oder der Zillertalbahn als künftig weltweit erste schmalspurige Wasserstoff-Bahn.
Tirol als Wasserstoff-Leuchtturmregion
„Wasserstoff ist ein Baustein der Energiewende. Tirol bietet von Natur aus sehr gute Voraussetzungen, um sich als Leuchtturmregion für die Entwicklung von Anwendungen von Wasserstoff-Technologie im alpinen Raum zu profilieren. Wir haben die Möglichkeit, grünen Wasserstoff aus dem Strom unserer Wasserkraftwerke zu erzeugen“, erläutert LH-Stv. und Energiereferent Josef Geisler. Die Energiestrategie „Tirol 2050 energieautonom“ sieht vor, dass Tirol im Jahr 2050 etwa zehn Prozent des Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff deckt.
Unternehmen wie MPREIS nehmen bereits eine Pionierrolle ein und lösen mit ihrer Initiative über die Landesgrenzen hinaus positive Resonanzen aus. MPREIS setzt hier auf die Dekarbonisierung des Güterverkehrs und nimmt im Spätsommer seine ersten wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-LKW in den Regelbetrieb. Diese werden mit grünem Wasserstoff aus eigener Produktion an der kürzlich fertiggestellten H2-Tankstelle betankt. „Seinen Platz hat Wasserstoff vor allem im Güterverkehr und im öffentlichen Verkehr, aber auch als Energieträger für die Industrie. Mit der Initiative ‚H2Alpin‘ ist es Tirol gelungen, Bundesmittel anzuzapfen. Damit machen wir nicht nur einen wesentlichen Schritt in Richtung wasserstoffbasierte Mobilität, sondern decken die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung bis hin zur Verwendung von Wasserstoff ab“, so Energiereferent Geisler.
Pionierprojekt für alpine Wasserstoffmobilität
Für alpine Regionen ist Klimaschutz bei der Mobilität von Einheimischen und Gästen sowie im Güter- und Personenverkehr eine große Herausforderung. „Wasserstoff stellt im Straßenverkehr einen umweltschonenden und zukunftsträchtigen Treibstoff dar, insbesondere um den regionalen Schwerverkehr zu dekarbonisieren, das Klima zu schützen und die Luft zu verbessern“, betont auch LH-Stv.in und Umweltlandesrätin Ingrid Felipe. „In Bezug auf H2-Fahrzeuge gibt es zwar bereits urbane Pilotprojekte, für die alpine Anwendung fehlt es jedoch noch weitgehend an wichtigen technischen Erfahrungswerten, um die Fahrzeuge weiterzuentwickeln und alltagstauglich zu machen. Im Rahmen von ,H2Alpin‘ werden H2-Busse und H2-LKWs unter alpinen Bedingungen wie Temperaturextremen, Schnee, kurvenreichen Bergstraßen, etc. umfassend getestet und analysiert.“ So sollen die Grundlagen für einen regionalen Masterplan der Wasserstoffmobilität inklusive erforderlicher Maßnahmen zur Umsetzung geschaffen werden.
Umsetzung wissenschaftlich begleitet
Auch Josef Margreiter, Geschäftsführer der Lebensraum Tirol Holding, betont die Bedeutung des Projekts: „Die Alpen sind ökologisch sensible Regionen, in denen Mobilität und Logistik starke Auswirkungen auf Menschen und Umwelt haben.“ In Tirol, dem gebirgigsten Teil Österreichs, verursache der Verkehr 41 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen (Umweltbundesamt, 2020). „Wissenschaftlich fundierte Wasserstoff-Pilotprojekte- und Umsetzungsmaßnahmen sind dringend notwendig, um die angestrebte Null-Emissions-Mobilität großflächig zu realisieren. Die Standortagentur Tirol als Drehscheibe des österreichischen Wasserstoff-Clusters ist dazu die ideale Projektkoordinatorin“, erklärt Margreiter.
„H2Alpin“ soll die Mobilitätswende beschleunigen
Mit dem Pilotprojekt H2Alpin erforscht Tirol nicht nur die Wasserstoffmobilität im alpinen Raum, sondern vereint zwölf führende Kooperationspartner: Standortagentur Tirol, FEN Research GmbH, Gebrüder Weiss GmbH, IVB, JuVe Automotion GmbH, MCI, Postbus AG, Tiroler Wasserkraft AG, Universität Innsbruck, VVT, WK Tirol, Wasser Tirol und Zillertaler Verkehrsbetriebe AG. „Ziel dieses landesweiten Schulterschlusses ist es, Erkenntnisse für die Anwendbarkeit von Wasserstoffmobilität im Güterschwer- und Personennahverkehr in Tirol zu erlangen und so schlussendlich die Mobilitätswende in Tirol zu beschleunigen", erklärt Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol. Bis 2025 werden mindestens zwei emissionsfreie Brennstoffzellenbusse für „H2Alpin“ in den Test- und Analysebetrieb gehen.
Die Postbus AG wird diese beiden mit Wasserstoff betriebenen Busse selbst oder mit Kooperationspartnern auf mindestens fünf verschiedenen Linien einsetzen, die regelmäßig Höhenunterschiede von mindestens 300 Metern überwinden müssen (z.B. Ski- und Wanderbusse in die Axamer Lizum oder ins Kühtai). Dabei werden die Daten genau aufgezeichnet und für eine breite Anwendung analysiert. "Die Auslieferung der Busse startet im März 2023", so Wolfram Gehri, Regionalmanager der Postbus AG. Betankt werden die Busse an der kürzlich eröffneten Wasserstoff-Tankstelle von MPREIS. Gehri betont zudem, dass die neue Infrastruktur des Lebensmittelhändlers nahe Innsbruck das Projekt erheblich vereinfache. Das international tätige Logistik-Unternehmen Gebrüder Weiss testet an seiner Tiroler Niederlassung schon seit Jänner 2021 einen der ersten Wasserstoff-Lkw weltweit. Und auch die TIWAG ist als zentraler Wasserstofferzeuger ein wichtiger Player in der heimischen Wasserstoff-Wertschöpfungskette: das Unternehmen plant derzeit auch eine Wasserstofferzeugungs-Anlage zwischen Langkampfen und Kufstein, um Ende 2024/Anfang 2025 pro Tag rund 400-450 kg Wasserstoff mittels Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren.
Auch der Verkehrsverbund Tirol (VVT) und die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) arbeiten seit 2018 an einer umfassenden Dekarbonisierungsstrategie für ihre gesamte Busflotte, die im Land Tirol unterwegs ist. Dazu wurde eine umfassende Analyse erstellt, die Ergebnisse liegen in Kürze vor. Diese Erkenntnisse dienen nicht nur als Leitfaden für die Dekarbonisierung bei VVT und IVB, sondern stellen auch eine wichtige Grundlage für das Projekt „H2Alpin“ dar - wenn es beispielsweise darum geht, Testrouten für Wasserstoffbusse festzulegen, künftige Bestellungen effizient zu planen und ein landesweites zentrales Beschaffungs- und Mietmodell zu entwickeln.
Produktion von grünem Wasserstoff bei MPREIS gestartet
Auch MPreis setzt auf Wasserstoff – hier wird das Thema schon seit 2016 vorangetrieben. Die unter der Leitung von Projektentwickler Ewald Perwög entstandene Division „MPREIS Sustainable Energy Solutions (SES)“ konnte im März 2022 Europas größte Single-Stack-Elektrolyseanlage in Betrieb nehmen. Die Anlage produziert seither am MPREIS-Betriebsstandort in Völs bei Innsbruck grünen Wasserstoff. „Bis zur Anlieferung unserer ersten drei eigenen Brennstoffzellen-LKWs im Spätsommer nutzen wir grünen Wasserstoff zur Beheizung unserer Backöfen der Bäckerei Therese Mölk“, erklärt MPREIS-Geschäftsführerin Kerstin Neumayer. Sukzessive soll die gesamte MPREIS-LKW-Flotte auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge umgerüstet werden - der Tiroler Nahversorger beginnt damit als erstes mittelständisches Unternehmen Österreichs, seine Lebensmittelmärkte CO2-neutral und emissionsfrei zu beliefern.
Das Projekt „H2Alpin“ wird aus Mitteln der FFG gefördert. Die FFG ist die zentrale nationale Förderorganisation und stärkt Österreichs Innovationskraft.