18.10.2024
Der größte Teil des europäischen Datenbestandes liegt wohlbehütet in den Speichern. Aber der digitale Wandel erlaubt mehr als je zuvor den profitablen Einsatz des oft brach liegenden Umsatzbringers. Ein Blick auf die Datenwirtschaft zeigt, wie es gehen könnte. Die Regeln sind streng und eindeutig, wer sie beachtet, schafft Innovationen, implementiert bisher unbekannte Geschäftsmodelle und kann Daten in Bares transformieren. Eine europäische Strategie ist im Anmarsch.
Der Rohstoff der digitalen Ära schlummert nur wenige Millisekunden entfernt im Storage der Unternehmen und den Cloud-Speichern. Er muss allerdings nicht ausgegraben und von den wertlosen Begleitern separiert werden. Vielmehr liegt er in digitaler Form vor und kann in mehrfacher Hinsicht gewinnbringend gebraucht werden.
Das in diesem Kontext oft zitierte Zauberwort heißt „Datenwirtschaft“. Daten werden aktuell nicht mehr als Ergebnis einer zügellosen Sammelleidenschaft gesehen oder gar als lästige Besetzer von teurem Speicherplatz. In der Tat sind sie zu einer wertvollen Ressource herangewachsen. Es gilt, das kostbare Gut aus Bits und Bytes smart zu nutzen.
Es hat sich herumgesprochen, dass die anhaltende digitale Transformation bisher ungeahnte Wertschöpfungsketten in Gang bringt. Ein flüchtiger Blick auf das heimische Geschehen genügt schon, um erfolgreiche Wandlungen festzustellen:
- Roboter verrichten 24/7-Kraftakte in heißer, stickiger und lärmender Umgebung. Geschont wird die Gesundheit der Arbeiter:innen.
- Besuche beim Arzt/bei der Ärztin sind ohne digitalen Ausweis unmöglich. Gesteigert werden dadurch Effizienz und Zeitmanagement der Beteiligten.
- Mit touristischen Informations-Systemen wird die Attraktivität der Destination „Tirol“ erhöht. Besucher:innen finden ihren Hotspot oder ihr Hotel ohne lange Umwege.
Ökonomisch nutzen und verwerten
In der Datenwirtschaft dreht sich alles um Wirtschaftlichkeit. Daten stellen zunächst eine wertvolle Quelle dar, aus der – unter Beachtung der tonangebenden Parameter – Nützliches sprudelt, sprich Profit. Die zentralen Aspekte, um Daten strategisch zu nutzen, sind folgende:
- Monetarisierung: Die Kunst, mit dem Datenbestand direkt oder indirekt Geld zu verdienen, beispielsweise durch den Verkauf von digitalen Informationen oder die Nutzbarmachung von Daten zur Optimierung von Produkten oder Geschäftsvorgängen.
- Governance: Es muss kontrolliert werden, dass Daten fehlerfrei sind, sicher und leicht zugänglich.
- Datenschutz: garantiert Sicherheit und Privatsphäre.
- Datenverträge: regeln Einsatz und Austausch von Daten zwischen den involvierten Gruppen.
- Prozesse: passgenaue Technologien und Verfahren sichern den effizienten Umgang mit Daten und ihre sogfältige Verwaltung.
- Datenqualität: wichtig für zuverlässige Analysen und treffsichere Entscheidungen.
- IT-Infrastruktur: Selbstredend, dass nur State-of-the-Art-Hard- und Software das professionelle Handling von Daten reibungslos gestaltet. In diesen Bereich fällt auch die Integration aus anderen Quellen.
Der Bestand an verfügbaren Daten steigt exponentiell. Der wohldurchdachte Gebrauch schafft Wettbewerbsvorteile und erschließt neue Möglichkeiten. So sieht Datenwirtschaft in der Praxis aus:
- Medizin: Die Analyse von Patientendaten erlaubt schon heute die Erstellung individueller Behandlungspläne.
- Smarte Mobilität: Verkehrsströme werden optimiert, energieeffiziente Lösungen stehen im Vordergrund, die Lebensqualität der Bewohner:innen wird gehoben.
- E-Commerce: Online-Trader erzielen deutlich höhere Umsätze, wenn sie das Kaufverhalten der Kunden:innen analysieren, personalisierte Kaufempfehlungen abgeben und Marketingstrategien verbessern.
- Industrie: In der Produktion werden Abläufe überwacht und zeitnah adaptiert, Wartungsarbeiten werden prognostiziert, Ausfälle minimiert oder gar verhindert.
- Landwirtschaft: Ernten fallen reicher aus, wenn Daten aus Vorhersagen, Sensoren und Drohnenflügen korrekt interpretiert werden.
- Tourismus: Wetter- und Verkehrsdaten sowie die Ferienkalender der Nachbarn fließen in die Eventplanung von Tourismusverbänden ein.
Die Möglichkeiten erkennen
Der ökonomisch sinnvolle Einsatz von Daten auf breiter Front hat sich allerdings noch nicht in alle Winkel herumgesprochen. Zahlen von unserem deutschen Nachbarland lassen aufhorchen: nur 28 Prozent der 500 befragten Betriebe attestieren sich selbst einen hohen Digitalisierungsstatus („als digital klassifiziert“), der Rest steht am Anfang der digitalen Umgestaltung oder steckt mittendrin.
In zwei Bereichen sind sich Firmen der Digitalbranche hüben wie drüben einig. Sie beziehen mit großer Bereitschaft Datenmaterial aus externen Quellen und zeigen sich offen beim Thema „Data Sharing“. Hierin spiegelt sich das expandierende Bewusstsein rund um die Datenwirtschaft wider. Intelligentes Verwerten und Wiederverwerten von Daten eröffnet sowohl in der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Administration innovative Einsatzszenarien. Sie gehen weit über die Optimierung von Prozessen hinaus, generieren maßgeschneiderte Services, etablieren coole Geschäftsmodelle und helfen bei faktenbasierenden Entscheidungen.
Driven by Data!
Start-ups setzen zunehmend auf datengetriebenes Business. Als Ursachen erkennt man die Technologisierung der Arbeitswelt, die Datenflut aus stark zunehmender Sensorik, schnelle und günstige Speicher und die Vernetzung. Letztere hilft bei der Verteilung der digitalen Informationen, um sie überall und jederzeit verfügbar zu machen. Der Mehrwert bei diesem Verfahren besteht in der Automatisierung von Prozeduren und Diensten, der Transformation getesteter Modelle in die „neue Welt“ und der Entwicklung von praxistauglichen Use Cases.
Mit dem datahub.tirol ist es gelungen, den ersten EU-konformen regionalen Data-Space in Europa zu schaffen. Sein Ziel ist es, die branchenübergreifende Kooperation zu stärken und eine sichere Plattform für den Austausch und die Verwaltung von Daten zu schaffen.
Die Datenquellen der teilnehmenden Profis werden für zahlreiche Anwendungsfälle (Use Cases) erschlossen. Datahub.tirol forciert datengetriebene Öko-Systeme als Netzwerke, Technologien und Datenressourcen, die kollaborieren. Anwendung und Austausch schaffen hier den klaren Vorsprung. Der Fokus liegt auf der Wertschöpfung und der Möglichkeit, mit zukunftsorientierten Techniken bzw. Services Geld zu verdienen.
So können beispielsweise Handelsbetriebe anhand der Analyse von Kundendaten perfekt zugeschnittene Angebote generieren. Weiters können produzierende Unternehmen Sensordaten aus Anlagen zur Optimierung des Maschinenparks einsetzen.
Einheit in der Vielfalt
Die Europäische Datenstrategie, bisweilen als Binnenmarkt für Daten bezeichnet, ermöglicht fundierte Entscheidungen auf der Basis vorhandenen Materials. Austausch und nachhaltige Verwendung von Daten werden optimiert. Die Strategie fokussiert sich darauf, den Menschen bei der Implementierung von Technologien an die erste Stelle zu setzen sowie die europäischen Werte und Rechte global zu verteidigen und zu fördern. Die kontinentale Wettbewerbstauglichkeit sowie die Souveränität werden durch dieses Verfahren sichergestellt.
Als höchst positive Auswirkungen der datengesteuerten Anwendungen nennt die EU-Kommission die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, die Schaffung sauberer Verkehrssysteme, die Entstehung neuer Produkte und Services, die Senkung der Kosten im öffentlichen Sektor sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Vor allem Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft kommen in den Genuss der strukturellen Anpassungen.
Anlass dazu bietet wohl auch die Tatsache, dass nur 15 Prozent der bestehenden Datenmenge „sinnvoll verwertet“ werden. Selbst die KI wird davon erheblich profitieren. So wird ein Regelwerk etabliert, das einerseits eine vertrauenswürdige Datenübermittlung fördert und andererseits den Schutz der Privatsphäre gewährleistet. Von der EU wurden bereits elementare Rechtsakte vorgelegt, die den Zugang zu Daten und die kollektive Nutzung regeln: Die Open Data Richtlinie (2019), der Data Governance Act (2022) und der Data Act (2023).
Die Nase vorn
Österreichs Datenpolitik folgt dem EU-Rechtsrahmen. Die nationale Strategie zielt auf eine breite Verwendung von Daten und den sicheren Austausch ab. Datenschutz und uneingeschränkte Sicherheitsstandards gelten als oberste Maxime.
Die Ausarbeitung der Datenstrategie auf heimischer Ebene wird wissenschaftlich begleitet. Erheblichen Anteil an diesem Prozess haben die Experten:innen des datahub.tirol. Bisher wurden 45 Maßnahmen für die Verwaltung definiert. Als Basis dienen drei strategische Ziele: Die Entwicklung nachhaltiger Dateninfrastruktur, die Aktivierung verantwortungsvoller Datennutzung und die Stärkung der entsprechenden Kompetenzen.
Parallel zur Umsetzung des Data Governance Acts (DGA) und des Data Acts (DA) wird in Österreich eine zugehörige Aufsichtsstruktur eingerichtet. Das österreichische Datenökosystem versammelt eine aktive Gemeinschaft aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ihr Credo: Die intelligente Nutzung von Daten schafft Mehrwert.
Österreich liegt übrigens in Sachen Digitalisierung öffentlicher Dienste im Spitzenfeld. Das Open-Data-Portal data.gv.at hat inzwischen 50.000 Datensätze publiziert, 750 davon wurden für neue Applikationen weiterverwendet.
KMU – was ändert sich?
Ein ebenfalls von der EU initiiertes KI-Gesetz, der sogenannte AI Act, ist die erste umfassende Verordnung zum Thema „Künstliche Intelligenz“. Anwendungen werden dabei drei Risikogruppen zugeordnet.
„Social Scoring“ etwa stellt ein „inakzeptables Risiko“ dar und wird daher verboten. Wird ein Tool zum Scannen von Lebensläufen eingesetzt, fällt dies unter „hohes Risiko“ und gehorcht besonderen rechtlichen Anforderungen. Risikoarme Apps bleiben unreguliert.
Im Act geregelt sind weiters Transparenzpflichten: KI-Systeme zur Interaktion mit Menschen (Chatbots) müssen beispielsweise als solche erkennbar sein. Zudem wird die Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten („Deep Fakes“) Pflicht.
Der Data Act verbessert für KMU den Zugang zu Maschinendaten. Nutzer:innen vernetzter Systeme erhalten Zugriff auf die von ihnen erzeugten Daten und können diese für eigene Zwecke oder zur Weitergabe an Dritte verwenden. Dies eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, verpflichtet aber auch Dateninhaber zur Bereitstellung der maschinengenerierten Daten an den Nutzer und an vom Nutzer autorisierte Unternehmen. KMU erhalten Zugriff auf bisher nicht zugängliche Daten.