26.11.2013
Intelligente Städte und Regionen, die Ressourcen effizient nutzen und ein Mehr an Lebensqualität bieten, das Zusammenspiel von Wirtschaft und Wissenschaft über Branchengrenzen, die Organisation des Innovationsprozesses und geeignete Finanzierungs-formen, um all das verwirklichen zu können: Durchaus positive Ausblicke, wie künftige Herausforderungen gemeistert werden können, gaben Experten bei "Moving Borders. Tiroler Innovationstag 2013".
„Der Wandel steht nicht vor der Tür, wir sind mittendrin. Für den Wirtschaftsstandort Tirol heißt das, Chancen zu nützen und aktiv agieren statt nur reagieren. Unsere Unternehmen haben dafür die besten Voraussetzungen: Sie sind breit aufgestellt, bestehen im internationalen Wettbewerb durch ihre konsequente Ausrichtung auf Innovation und arbeiten in diesem Prozess intensiv mit unseren Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie mit unseren Hochschulen zusammen. Das Land Tirol fördert aktiv die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen über die Grenzen von Branchen und Disziplinen hinweg und trägt so dazu bei, dass sich unsere Unternehmen mit innovativen Produkten, Dienstleistungen und Verfahren am Markt behaupten“, so Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf in ihrem Eingangsstatement.
„Müssen Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Umweltschutz in Einklang bringen“
In Europa leben heute fast drei Viertel der Menschen in Städten. 70% des gesamten Energieverbrauchs in der EU fallen in Städten an. Alleine Staus in den Ballungsräumen verursachen jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Wärme- und Kältenetze, Strom, Mobilität und Stadtentwicklung müssen vor diesem Hintergrund neu gedacht werden. „Um unsere Städte und Metropolregionen fit für die Zukunft zu machen, müssen Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Umweltschutz in Einklang gebracht werden. Intelligente Infrastrukturen, insbesondere Transport und Logistik, Energienetze und Gebäude spielen dabei eine herausragende Bedeutung. Während es in den Wachstumsregionen Asiens und des Mittleren Ostens vor allem um den Bau neuer Städte und Infrastruktur-Kapazitäten geht, basiert der zukünftige Erfolg ‚smarter‘ europäischer Städte vor allem auf effizienter Vernetzung, Integration und intelligenter Weiterentwicklung bestehender Strukturen“, analysierte Dr. Andreas Mehlhorn, Leiter der Siemens Beratung für Mobilität und städtische Infrastrukturen. Konkret bedeute dies laut Dr. Mehlhorn – z.B. für die Mobilität – eine intelligente Steuerung des Individualverkehrs, eine Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs sowie eine Integration beider Verkehrsmodi im Sinne einer durchgängigen Transportkette von „Tür-zu-Tür“. Für Siemens ist die nachhaltige Entwicklung städtischer Regionen nicht nur eine Gesellschaftsaufgabe, sondern auch ein großer Zukunftsmarkt für Unternehmen. Mit einem breiten Portfolio an führenden technologischen Lösungen für die Bereiche Transport und Logistik, Energienetze und Gebäude ist Siemens hier weltweit ein bevorzugter Partner von städtischen Entscheidern und Infrastrukturbetreibern – von der strategischen Beratung bis zur konkreten technologischen Umsetzung. Das Unternehmen ortet in der Entwicklung intelligenter Städte ein Volumen von bis zu 300 Milliarden Euro weltweit, das es mit dem Sektor „Infrastructure & Cities“ mit 90.000 Mitarbeitern erschließen will.
Grenzen sind da, um sie zu überwinden
Gerade ein international bekanntes Tourismusland wie Tirol habe enormes Potenzial, durch die Überwindung klassischer Branchengrenzen neue Märkte zu erschließen, meinte Dr. Eva Adamer-König, Leiterin des Studiengangs „Gesundheitsmanagement im Tourismus“ an der FH Joanneum Bad Gleichenberg: „Gesundheitstourismus muss für den Gast, der gleichzeitig Patient ist, einen Mehrwert schaffen. Dazu braucht es Angebote, die die geistige, seelische und körperliche Ausgeglichenheit des Gastes steigern. Medizinische Vorsorgeleistungen können teuer werden, das heißt, es braucht auch geeignete betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen. Hier werden sich vermutlich neue Kooperationsmodelle zwischen Tourismusbetrieben und medizinischen Dienstleistern ergeben.“
In dieselbe Kerbe schlug auch Dr. Harald Gohm, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol: „Tirol hat hohe Kompetenz im Tourismus und ist ein starker Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Je besser es uns gelingt, diese Potenziale zu verbinden, gerade in den Bereichen Gesundheit, Technologie und Tourismus, desto deutlicher entwickeln wir uns zu einer smarten Region, zum begehrtesten Kraftplatz der alpinen Welt.“
Und wer soll das zahlen? Wir alle.
Für junge Gründer innovativer Unternehmen ist es teils schwierig, an das nötige Startkapital zu kommen. Banken scheuen immer wieder das Risiko, in scheinbar unerfahrene Jungunternehmer zu investieren. Dazu kommt die Ungewissheit, ob sich eine Innovation am Markt auch behauptet. Alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding gewinnen an Bedeutung. „Im Prinzip geht es dabei um eine Schwarmfinanzierung“, erklärte Dr. Johann Füller, Gründer und Vorstand der Münchner Hyve AG und Professor an der Universität Innsbruck, in einer Filmeinspielung bei „Moving Borders. Tiroler Innovationstag 2013“. „Ein Bankkredit funktioniert nach dem Schema ‚one to one‘, also eine Seite gibt der anderen Geld. Bei Crowdfunding geht es um ‚one to many‘. Das heißt, viele Einzelpersonen geben Kleinbeträge für ein Vorhaben. In Umkehrung des Sprichworts ‚Klasse statt Masse‘ heißt es hier ‚Masse schafft Klasse‘“, so der Experte.
Nicht nur die Grenzen, wie etwas finanziert wird, sondern auch was finanziert wird, würden zusehends verschwimmen, war sich Michael Breidenbrücker, Gründer von Last.fm und einer der wichtigsten Treiber in der digitalen Welt, sicher. „Gründet keine Firmen, sondern gründet Produkte. Die Firma gibt's dann ganz von selbst“, so sein Tipp für angehende Unternehmensgründer. „Wir haben bei Last.fm einfach gemacht, was uns Spaß machte. Erst 2002 haben wir gesehen, dass das Ganze eigentlich auch eine Unternehmensidee sein könnte und die Firma rund um das Projekt gebaut“, erinnerte sich Breidenbrücker. „Die ganze start-up-Szene in Europa hat in den letzten 10 Jahren wahre Quantensprünge vollzogen. Der Zugang zu Geld und Technologie wurde bedeutend vereinfacht, was aber auch zu einer viel höheren Konkurrenz geführt hat. Der Zugang zum Markt ist leichter, aber der Markt selbst ist härter geworden.“ Auf der Basis sozialer Software entwickelte Breidenbrücker mit seinem Team Ende der 1990er Jahre das Internetradio Last.fm, das es Hörern aufgrund ihrer Hörgewohnheiten ermöglicht, Hörer mit ähnlichem Musikgeschmack kennenzulernen und ein personalisiertes Radioprogramm zusammenzustellen. Fünf Jahre nach der Gründung des Unternehmens last.fm wurde es für 280 Millionen Dollar verkauft. Mit seinem aktuellen Unternehmen RjDj überschreitet Breidenbrücker wieder Grenzen: „Last.fm personalisiert die Musik, um genau zu sein, last.fm personalisiert die music sequence, also welches Lied wann gespielt wird. Bei RjDj versuchen wir einen Schritt weiter zu gehen und den Song zu personalisieren. Durch smart music player wie das iPhone wird es möglich, dass ein Song am Morgen anders klingt als am Abend, oder bei Schlechtwetter anders als bei schönem Wetter. Man kann Beats auch auf den Lauf-Rhythmus beim Joggen anpassen oder sogar einen Soundtrack zur Autofahrt herstellen.“