STANDORT:
Herr Widrig, Sie be-
schäftigen sich schon seit langem
mit der Schweizer Exportwirt-
schaft. Was sind die Faktoren für
erfolgreiche Expansionen bzw.
warum scheitern Versuche von
Schweizer Unternehmen, sich in
neuen Märkten zu etablieren?
CLAUS H. WIDRIG:
Für die Ant-
wort muss man etwas in die Tiefe
gehen. Es ist sehr unterschiedlich.
Das Gelingen oder Misslingen von
Exportaktivitäten nach Deutsch-
land ist anders zu sehen wie z.B. in
Arabische oder Asiatische Staaten
– da kann es schon an der Sprache
oder Rechtslage scheitern.
STANDORT:
Wie schaut es gene-
rell mit dem Auslandsinteresse der
Schweizer Unternehmen aus?
WIDRIG:
Schweizer Unterneh-
men suchen vermehrt nach neuen
Märkten im Ausland. Der Verband
der Schweizer Außenwirtschafts-
kammern „SwissCham“ vermeldet
eine stete Zunahme von Anfragen.
Es zeigt sich aber immer wieder,
dass viele Projekte in den neuen
Wachstumsmärkten scheitern, weil
die Voraussetzungen bei den Un-
ternehmen nicht vorhanden sind.
STANDORT:
Wie ist das zu verste-
hen?
WIDRIG:
Es stellt sich die Frage,
wo ein Unternehmen überhaupt
erfolgreich tätig sein kann. Viele
mittelständische
Unternehmen
suchen deshalb nach Alternativen
in Märkten, die in kurzer Zeit er-
reichbar sind. Eine ausgezeichne-
te Infrastruktur und gut ausgebil-
dete Arbeitskräfte sind wichtige
Aspekte in der Evaluation. Ver-
stärkt suchen Unternehmen auch
wieder den direkten Kontakt;
bewährte Geschäftsmodelle mit
Partnern in benachbarten Wirt-
schaftsräumen, im selben Kultur-
kreis. Für die Schweiz kommen
da Österreich und Deutschland in
Frage. Und Tirol empfiehlt sich als
Top-Standort im Herzen Europas,
der zusätzlich als Drehscheibe zu
den Märken Norditalien und Süd-
deutschland genutzt werden kann.
STANDORT:
Also Tirol mit ei-
ner Art Brückenfunktion nach
Deutschland und Italien?
WIDRIG:
Die Italien-Achse mit
Zugang über Innsbruck ist sicher
ein interessanter Zusatznutzen.
Und dass von man von Innsbruck
aus sehr schnell in Deutschland
ist, weiß man in der Schweiz. Ein
zusätzlicher Aspekt ist der österrei-
chische Markt selbst.
STANDORT:
Wo sehen Sie zwi-
schen der Schweiz und Tirol Un-
terschiede für expansionsfreudige
Unternehmen?
WIDRIG:
In den Bereichen För-
derungen und Steuern bietet Ti-
rol gegenüber der Schweiz einige
Vorteile: Unternehmen stehen
Direktförderungen offen. Dar
über hinaus bietet Tirol attraktive
steuerliche Anreize z.B. in den
Bereichen Forschung und Ent-
wicklung. Die kompetente und
professionelle Unterstützung der
Standortagentur steht Interessen-
ten kostenfrei zur Verfügung.
STANDORT:
Wie reagiert man
eigentlich in der Schweiz auf die
Aktivitäten der Standortagentur
Tirol?
WIDRIG:
Oft hören wir die Reak-
tion „Tirol, ja super, da bin ich im
Herbst wandern, im Winter Skifah-
ren“. Den Wirtschaftsstandort Tirol
kennt man in der Schweiz aller-
dings nicht so gut. Dass Innsbruck
eine Universitätsstadt ist, dass es in
Tirol 38.800 Unternehmen gibt,
dass Tirol ein innovatives Bun-
desland ist – das bringen wir den
Schweizer Unternehmen gemein-
sam nahe und schaffen für diese so
Mehrwert.
STANDORT:
Warum mit Ihnen?
WIDRIG:
Ganz einfach. Schweizer
Unternehmen reden gerne mit
Schweizern. ]
Der bestens vernetzte Schweiz-Experte Claus H. Widrig über expansionsfreudige
Schweizer Unternehmen und wie man Eidgenossen nach Tirol lotsen könnte.
Für Schweizer einen
Mehrwert schaffen
Standort
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STANDORT 02|13
[ Thema: Inhalt ]
Was Tirol für Schweizer Unternehmen
attraktiv machen könnte, sagt Claus H. Widrig
standort
[ standortagentur ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]
Erneuerbare Energien
Seite 3
[ Thema: Impressum ]
STANDORT. Aktuelle Nachrichten
der Standortagentur Tirol und ihrer
Clusterinitiativen. Ausgabe 02|13
Herausgeber: Standortagentur Tirol,
Ing.-Etzel-Straße 17, 6020 Innsbruck
Verleger: ECHOZeitschriften- u. Verlags
GmbH | Redaktion: Andreas Hauser,
Hugo Huber, Marian Kröll, Gernot Zim-
mermann Fotos: Andreas Friedle| Layout:
Thomas Binder, Armin Muigg | Druck: Alpina
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1
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Nr. 17 | Jg. 05
aktuelle nachrichten der STANDORTAGENTUR TIROL
Das Facelifting der Fakultät für Technische
Wissenschaften der Universität Innsbruck
Foto: Standortagentur Tirol/Burgherr
MPREIS hat den ersten Passivhaus-Super-
markt Mitteleuropas eröffnet
Projekt BIGCONAIR: Holz und Lehm
sollen ein gesundes Wohnklima garantieren
Mechatronik
Seite 4
Wie Tiroler Unternehmen vom Kompe-
tenzzentrum MPPE profitieren können
Valentine Troi hat mit SuperTex einen
völlig neuen Werkstoff entwickelt
Informationstechnologie
Seite 5
Geodatenservices werden für Tourismus
und Standortvermarktung immer wichtiger
inndata verringert den bürokratischen
Aufwand für das Bauwesen
Wellness
Seite 6
Die „Klangbadewanne“ SoundGENIUS
erweitert das auditive Empfinden
Marketing-Berater Wolfgang Falkner über
sein BarCamp in Sachen Wellness
Life Sciences
Seite 7
„Herz Mobil Tirol“ setzt auf Überwa-
chung der Vital-Daten via Smartphone
Margarethe Hochleitner wurde als „Wo-
man Inspiring Europe“ ausgezeichnet
Erfolgsfaktor Kooperation
[ Forschungsstandort ]
Z
ukunftsweisende Produkte made in Tirol – das ist das Ziel von
Kooperationen zwischen Tiroler Unternehmen und Forschungs-
institutionen, unterstützt werden sie dabei vom Land Tirol über die
Technologieförderung „K-Regio“. Drei neue solche Projekte aus den
Bereichen Erneuerbare Energien, Medizintechnik und Skitechnologie
wurden vor Kurzem genehmigt und sie sind auch ein Beleg für die
Breite der F&E-Arbeit im Land. In einem Konsortium aus den Un-
ternehmen SynCraft Engineering, Thöni Industriebetrieben, Falkner
Maschinenbau, den Stadtwerken Schwaz und Wörgl sowie der IKB
und dem MCI soll eine neue Generation von kleinen Biomasseheiz-
kraftwerken entwickelt werden. Das zweite Projekt (Partner sind Med-El, synedra information technologies, Sistro Präzisions-
mechanik, Medizinuni Innsbruck sowie die UMIT) arbeitet an der Entwicklung eines Implantats, das im Gleichgewichtsorgan
im Innenohr eingesetzt wird. Die dritte Kooperation hat eine Maschine zur Bearbeitung und Beschichtung von Skibelägen und
Skikanten zum Ziel. „Dieses starke Netzwerk zwischen Unternehmen und Forschung ist ein Garant für Erfolg,“ ist Wirtschafts-
landesrätin Patrizia Zoller-Frischauf überzeugt.
Quantengas
D
er Zweite Schall ist ein quanten-
mechanisches Phänomen, das
bisher nur in supraflüssigem Helium be-
obachtet werden konnte. Nun haben
Physiker der Uni Innsbruck gemeinsam
mit Kollegen der Uni Trient diese Aus-
breitung einer Wärmewelle erstmals in
einem Quantengas nachgewiesen. Die
nun in der Fachzeitschrift Nature ver-
öffentlichte Arbeit ist das Ergebnis einer
langjährigen, engen Kooperation der
Innsbrucker Experimentalphyisiker rund
um Rudolf Grimm mit Forschern des
Zentrums für Bose-Einstein-Kondensa-
tion in Trient. Zudem konnte durch die
Koproduktion eine mehr als 50 Jahre
alte Theorie des Nobelpreisträgers Lev
Landau bestätigt werden.
S
eit Milliarden
Menschen
zusätzlich den
Weltmarkt betre-
ten haben, wir in
Echtzeit weltweit
kommunizie-
ren und global
vernetzt sind,
erzeugen wir als Personen, Unterneh-
men und Gesellschaften einen ständigen
Veränderungsbedarf. Dabei wird die
Persönlichkeitsentwicklung der daran
beteiligten Menschen spielentscheidend,
schließlich geht es darum, alte Identitäten
und Sicherheiten loszulassen. Verän-
derungen erzeugen zuerst Ängste und
Widerstände. Es ist in Unternehmen eine
zentrale Führungsaufgabe, diese Gefühle
anzuerkennen und in den Verände-
rungsprozess zu integrieren. „Change“
kann nur gelingen, wenn auf der Basis
klarer Entscheidungen und einer starken
Veränderungskoalition die Mitarbeite-
rInnen durch alle Phasen dieses „Change“
begleitet werden (Schock, Ängste, Wi-
derstände, „Trauerarbeit“, Aufbau neuer
Visionen). Die gelungene Verarbeitung
einschneidender Veränderungsprozesse
bedeutet persönliche Reifung, unterneh-
merische und gesellschaftliche Zukunfts-
sicherung. Unternehmen, die über ihre
MitarbeiterInnen „drüberfahren“, werden
die Erfahrung des Misslingens machen.
Oberflächlich werden die Betroffenen
die Änderungen mittragen, aber innerlich
gehen sie in die Kündigung oder in das
„Burn- Out“. Die vor uns stehenden
Aufgaben (Seniorität der Gesellschaft,
notwendiger Zuzug und Integration
qualifizierter ausländischer Fachkräfte im
„Willkommensland“ Tirol … ) und das
Wissen, dass „Change“ unser ständiger
Begleiter sein wird, erfordern von Jedem
die lebenslange Bereitschaft zur Weiter-
entwicklung der eigenen Person.
Persönlichkeit
und Change
Management
Gastkommentar
Prof. Manfred Steinlechner
Leiter des Beratungsunternehmens TMC
STARKES LAND
E
in Wirtschaftswachstum von 1,4
Prozent – hinter dem Wachs-
tumsspitzenreiter Burgenland (ein Plus
von 1,6 Prozent) belegt Tirol damit
den 2. Platz in der österreichischen
„Wirtschaftswachstumstabelle 2012“.
Vor allem die Bauwirtschaft und der
Produktionssektor sorgten für über-
durchschnittlich hohe Wachstumsraten.
Doch die Konjunktur-Analyse der Bank
Austria zeigt noch andere starke Seiten
Tirols: Die Beschäftigungsentwicklung
im ersten Quartal 2013 zeigt ein Plus
von zwei Prozent gegenüber dem
Vorjahr – das höchste in Österreich.
Die Arbeitslosenquote lag im März mit
saisonbereinigten 6,0 Prozent deutlich
unter dem Österreichdurchschnitt.
Foto: Standortagentur Tirol
Foto: Friedle
Schweiz-Experte Claus H. Widrig bringt
eidgenössischen Unternehmen ab sofort
den Standort Tirol nahe.