STANDORT:
Österreichische Frauen
haben im Durchschnitt 1,4 Kinder
– Sie halten diese Zahl für wenig zu-
kunftsträchtig.
REINER KLINGHOLZ:
1,4 Kinder be-
deuten, dass jede Nachwuchsgenera-
tion um ein Drittel kleiner ist als die
Elterngeneration. Ohne Zuwande-
rung würde Österreichs Bevölkerung
also schon bald massiv schrumpfen.
Außerdem altert sie enorm, weil die
stark besetzten Jahrgänge der in den
1960er-Jahren geborenen „Babyboo-
mer“ im Vergleich zu den heutigen
Nachwuchsjahrgängen übermäch-
tig werden. Und zusätzlich steigt die
Lebenserwartung derzeit mit jedem
Jahrzehnt um drei Jahre.
STANDORT:
Anders als in einigen
Teilen Österreichs liegt in Tirol die
Zahl der Geburten über jener der To-
desfälle. Tirol wird also so bald nicht
aussterben?
KLINGHOLZ:
Allerdings nur wegen
der Zuwanderung aus dem In- und
Ausland. Die Zahl der Frauen im Al-
ter, in dem man Kinder bekommen
kann, ist seit Jahren etwa gleich groß
geblieben. Durch die Zuwanderung
ist Tirol bis heute relativ jung geblie-
ben – in Österreich ist nur das wirt-
schaftlich erfolgreiche Land Vorarl-
berg jünger.
STANDORT:
Sie haben eine europa-
weite Studie durchgeführt und 285
Regionen auf ihre – salopp gesagt
– Zukunftsfähigkeit hin verglichen.
Wo findet sich da Tirol wieder?
KLINGHOLZ:
Nach unserer Auswer-
tung liegt Tirol auf Platz 38, das ist
der beste Wert in Österreich, noch
vor Salzburg und Vorarlberg auf den
Plätzen 42 und 47 und weit vor Kärn-
ten und dem Burgenland, die erst
auf den Plätzen 146 und 162 folgen.
Wenn man Tirol allerdings den Re-
gionen im alemannischen Raum, in
der Schweiz und in Süddeutschland
gegenüberstellt, dann schneidet es
im Vergleich zu diesen sehr erfolgrei-
chen Gebieten etwas schlechter ab.
STANDORT:
Sie sagen, bei Innovatio-
nen habe Tirol Aufholbedarf und Sie
empfehlen, Tirol solle seine „endoge-
nen Potenziale“ nutzen. Was ist damit
gemeint?
KLINGHOLZ:
Tirol darf sich nicht
auf seinen Lorbeeren ausruhen.
Denn an den modernen Branchen
neben dem Tourismus erkennt
man auch die Schwächen. In den
Nachbarregionen, in Bayern, Baden-
Württemberg, der Schweiz und auch
in Vorarlberg wird wesentlich mehr
in Bildung, Wissenschaft und Tech-
nologie investiert. Tirol müsste seine
Universitäten besser ausstatten und
sie mehr mit jungen Unternehmen
vernetzen, damit aus den Unis he-
raus mehr Firmen gegründet werden.
Diese Firmen sollten in Wertschöp-
fungsketten zusammenarbeiten und
von Clustern profitieren. In Sachen
Innovation wäre Tirol prädestiniert
sein endogenes – also „hauseigenes“
– Potenzial zur regenerativenEnergie-
gewinnung zu nutzen. Wasserkraft,
Biomasse, Sonne als Basis für eine au-
tarke Energieversorgung sind vorhan-
den. Aber wie man sie gemeinsam am
cleversten nutzt, muss noch erforscht
und erprobt werden. Die ganze Welt
braucht diese Konzepte. Wenn das
kein Exportschlager ist. ]
Interview. Der Demographieexperte Reiner Klingholz vom Berlin Institut über die
Zukunftschancen Tirols und den gewinnbringenden Nutzen endogener Potenziale.
Dr. Reiner Klingholz: „Tirol liegt bezüglich Zukunftsfähigkeit auf Platz 38 – der beste
Wert in Österreich, darf sich aber nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.“
Tirol führt das
Zukunftsranking an
Standort
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STANDORT 03|09
[ Thema: Inhalt ]
Reiner Klingholz über gewinnbringende
Nutzen endogener Potenziale
STANDORT
[ zukunftsstiftung ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]
Erneuerbare Energien
Seite 3
[ Thema: Impressum ]
STANDORT. Aktuelle Nachrichten der Tiroler
Zukunftsstiftung und ihrer Clusterinitiativen. Aus-
gabe 0309 | Herausgeber: Tiroler Zukunftsstif-
tung – Standortagentur des Landes Tirol. Kaiser-
jägerstraße 4a, 6020 Innsbruck| Verleger:
ECHO Zeitschriften u. Verlags GmbH | Redak-
tion: David Bullock, Andreas Hauser, Peter
Plaikner (pp), Gernot Zimmermann | Fotos:
Andreas Friedle| Layout: Thomas Binder, Armin
Muigg | Druck: Alpina
3 2
1
4 5 6 7 8
N
r. 3.
| Jg. 09
AKTUELLE NACHRICHTEN DER TIROLER ZUKUNFTSSTIFTUNG
Moderator Peter Plaikner berichtet über
den Experten-Chat „Tirol tomorrow“
Foto: GFK
Der Forschungsverbund „Prosolar“ setzt
auf innovative und integrierbare Solarmodule
WAF Fassadensysteme nützen Sonnen-
energie formschön
Mechatronik
Seite 4
„E-Mobility“ – der Wettlauf um die
„Grüne Technik“ ist voll angelaufen
Stefan Strohmeier hat eine intelligente,
energieeffiziente Wohnraumleuchte entwickelt
Informationstechnologie
Seite 5
Der Business Software Spezialist Terna
erreicht zweistellige Zuwachsraten
Pitagora bietet ganzheitliche IT-Infra-
struktur für mittelständische Unternehmen an
Wellness
Seite 6
Ungenügende Hygienestandards bei
Wellnessanlagen können fatale Folgen haben
Cluster-Beiratssprecher Franz Linser
über Trends im Wellnessbereich
Life Sciences
Seite 7
Innovacell startet die Phase 2-Studie im
EU-Zulassungsverfahren
Im K2-Zentrum ACIB werden wichtige
österreichische Biotech-Institutionen gebündelt
Tirol auf dem Weg zur High-Tech-Region
[ TECHNOLOGIEOFFENSIVE ]
B
eim 2. Tiroler Technologieforum präsentier-
ten Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-
Frischauf und Wissenschaftslandesrat Bernhard
Tilg den neuen Tiroler Technologiescheck. Dabei
handelt es sich um eine Förderung des Landes
mit einem Gesamtvolumen von 200.000 Euro.
Jährlich werden damit 100 Ausbildungsschecks in
Höhe von je 2000 Euro finanziert, und zwar für
Personen, die eine Mechatronikausbildung oder
mechatroniknahe Ausbildung absolvieren (Bewer-
bungen und Vergabe ab 2010). „Der Ausbildungs-
scheck soll ein Anreiz für junge Menschen sein,
eine Ausbildung in spezifisch technischen Berufen
zu absolvieren“, erklären Patrizia Zoller-Frischauf
und Bernhard Tilg.
COMET-ENTSCHEID
D
ie Entscheidung über die neuen
Kompetenzzentren im Bundesför-
derprogramm COMET ist gefallen. Das
Konsortium ACIB – Austrian Center of
Industrial Biotechnology, an dem die
Universität Innsbruck sowie die Tiroler
Unternehmen Sandoz und Biocrates
beteiligt sind, erhielt die Förderzusage
für ein K2-Zentrum (mehr dazu auf
Seite 7). Der Tiroler Antrag für alpS,
ein K2-Zentrum für Klimawandelan-
passungstechnologien, wurde auf Platz
drei gereiht. Bei positiver Evaluierung
und maximaler Förderung von zwei
K2-Zentren bedeutet das für alpS die
Einladung zu einem erneuten Antrag
für ein K1-Zentrum. Der Juryentscheid
dazu soll im Frühjahr 2010 fallen.
P
olitiker
haben
ein schlechtes
Image. Von der
Wirtschaft sollten
sie lernen: Was
immer Du tust,
ruiniere nicht
Deine Branche!
Tiroler Tourismusgemeinden werden
kaum einander vorwerfen, dass aus der
Wasserleitung des Nachbarn Kloake
fließt und man vom Mittagsmenü
Durchfall bekommt. Unweigerlich
würde jeder Reisende um das ganze
Land einen großen Bogen machen.
Also sind Hoteliers sogar im schärfsten
Wettbewerb einig, gemeinsam ihr
Tirol anzupreisen. Politiker denken als
Bürgermeister genauso – doch in der
Rolle der Parteimenschen beschimpft
man sich und unterstellt dem jeweils
Anderen die bösesten Absichten. So
bleibt hängen, dass alle Beteiligten
unseriös wären. Umgekehrt können
politische Akteure manches, dem sich
Wirtschaftstreibende manchmal ver-
weigern. „Manager sind austauschbar,
Marken nicht!“, das war einmal. In der
Mediengesellschaft ist Personalisierung
eine Chance zur Markenstärkung. Zu-
gleich wissen Politiker, dass ihre Wähler
in Bildern denken. Wie viele Unterneh-
men haben gerade in Zeiten der Krise
überlegt, welches Bild bei Nennung des
Firmennamens vor dem geistigen Auge
abgerufen wird? Wer mit öffentlichen
Gütern von Geld bis Verkehr, Energie
oder Information, Gesundheits- und
Bildungsbezug handelt, ist zudem Inhalt
öffentlicher Debatten, ob man an der
Wirtschaftskrise schuld ist oder sie
bekämpft. Dabei zählen zu 90 Prozent
optische Eindrücke. Nicht bloß als
Werbung, sondern jeder Auftritt von
Unternehmen und Unternehmer. Sind
diese sich dessen bewusst? Leider nicht
immer, die Politiker hingegen schon.
Voneinander
lernen können
GASTKOMMENTAR
”
PROF. PETER FILZMAIER
Politologe, Donau-Universität Krems
Foto: privat
Foto: Land Tirol
LANGE NACHT
A
m 7. November 2009 stand
Innsbruck ganz im Zeichen der
Forschung. Die Universitäten öffneten
gemeinsam mit vielen außeruni-
versitären Forschungsstätten und
forschungsorientierten Unternehmen
ihre Türen für forschungshungrige
Besucher. In Zusammenarbeit mit
der Tiroler Zukunftsstiftung sowie der
Stadt Innsbruck boten sie im Rahmen
der Langen Nacht der Forschung
2009 an 14 Standorten allen Interes-
sierten die Gelegenheit, das Aben-
teuer Forschung hautnah zu erleben.
Und die Tiroler Bevölkerung zeigte
sich sehr interessiert: Rund 7000
Besucher wurden an den über 100
Stationen gezählt.
Dr. Reiner Klingholz ist Verfasser der
Key Note ‚Europaregion Tirol global‘,
die im Zukunftstalk von heimischen
Experten online diskutiert worden ist.