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STANDORT
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Innovationstag der Tiroler Zukunftsstiftung
Thema: [ STANDORT TIROL ]
STANDORT
Bereits zum siebten Mal veranstaltet die Tiroler Zukunftsstiftung ihren „Innovati-
onstag“, den jährlicher Jour Fixe der „Community“, die in Tirol Innovationsarbeit leis-
tet sowie Forschung und Technologie am Standort vorantreibt. Es geht um Austausch
und Vernetzung, einen Blick auf aktuelle Innovationsprojekte in den Clustern und um
Experten-Input für die weitere Reise des Technologielandes Tirol.
B
ildung stand zwar nicht auf
dem Programm, zog sich
aber wie ein roter Faden
durch die Aussagen zu „Europare-
gion Tirol global“, „Innovation am
Wendepunkt“ und „Arbeit im Wan-
del“. Das reichte von der puren
Feststellung über die harte Kritik
bis zum großen Traum. Denn „In-
novation benötigt als Nährboden
Allgemeinbildung und Kulturbe-
wusstsein.“ Doch „unser Bildungs-
system zerstört Kreativität, Eigen-
verantwortung und Solidarität“.
Obwohl: „Der alpine Raum kann
ein Laboratorium für Weltbürger-
erkenntnisgewinn werden, wenn
wir nur daran glauben.“
So heterogen die drei Experten-
chats für den Zukunftstalk „Tirol
tomorrow“ auch zusammengesetzt
waren, so hielten sie doch durch-
wegs die Balance zwischen Analyse,
Evaluierung und Vision. Ein Mittel
dafür war die Provokation: „Wir
müssen die offizielle Phrasendre-
scherei – wie ,Dem Land Tirol die
Treue’ – radikal zerstören und eine
neue zukunftsgerechte Bildsprache
etablieren“, ging es da gegen einen
allzu traditionell geprägten Patri-
otismus. Dem Vorschlag zu einem
„freiwilligen sozialen Jahr für Früh-
pensionisten …“ folgte prompt ein
noch härterer Angriff auf das fak-
tische Rentenantrittsalter: „ … so
lange es noch freiwillig ist.“
Insgesamt brachten die Ex-
perten-Chats wesentlich weniger
technologisch-ökonomische Aus-
sagen, als es Themenstellung und
Spezialistenbeteiligung durchaus
hätten vermuten lassen. Die Ge-
legenheit zum umfassenderen
gesellschaftlichen Diskurs wurde
nahezu durchwegs genutzt: „Die
größte politische Herausforderung
besteht in der Unterstützung der
Schwächeren“, hieß es zur Zukunft
der Arbeit zwischen auch gezwun-
gen Standorttreuen und der wach-
senden Zahl hochqualifizierter
Nomaden. Sie in Tirol zu halten,
wird demnach ein zentraler Fak-
tor im Wettbewerb um die besten
Köpfe. Dazu wurde grundsätzlich
immer wieder die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie – und vor
allem mit Kindern – genannt. Hier
wird konkreter Nachholbedarf bei
den öffentlichen Betreuungsmög-
lichkeiten geortet. Doch auch die
Unternehmen sollen mehr dazu
beitragen: „Betriebskindergärten
werden wie Pilze aus dem Boden
schießen müssen.“
Gleichgültig ob Halbe-Halbe,
Subsidiaritätsprinzip oder Private
Public Partnership: Eine neue sozi-
ale Aufgabenteilung zwischen Pri-
vat und Staat, zwischen Wirtschaft
und Politik zog sich in den verschie-
densten Bezeichnungen als künftig
noch zentralere Standortquali-
tät durch die Expertenchats. Das
heimliche Leitthema blieb dabei
fast unausgesprochen: Nur dreimal
in mehr als fünf Stunden fiel expli-
zit jenes Wort „Mut“, das als Basis
nahezu aller Visionen von „Tirol
tomorrow“ notwendig ist. (pp) ]
Zukunftstalk. Die Intensität des Durcheinanderredens hätte jede Podiums-
diskussion unverständlich gemacht. Online jedoch geriet der Experten-Chat „Tirol
tomorrow“ zum furiosen Austausch. Schriftlichkeit bewahrt jedes Argument.
Die Diskussionen über „Tirol tomorrow“ waren Analyse, Evaluierung und Vision.
Vision für‘s starke Land
B
ei der 120 Sekunden Chance des
Landes Tirol haben TirolerInnen
eine ganze Reihe spannender Ideen
präsentiert, deren Umsetzung sich
lohnt. Und genau darum geht es:
wenn es Menschen gibt, die inno-
vative Vorhaben gezielt realisieren,
können sie selbst, ihre Umgebung und
unser Standort davon profitieren.
Deshalb unterstützt meine Politik
auch den Technologietransfer so
intensiv – mit Kompetenzzentren,
Einrichtungen wie dem CAST oder In-
strumenten wie dem Gründerwettbe-
werb, der soeben wieder läuft. Denn
egal, ob es um ein Forschungsergebnis
unserer Wissenschaftler oder den
Einfall einer Privatperson geht: in Tirol
muss der Weg zwischen Geistesblitz
und Geschäftsmodell so kurz sein wie
sonst nirgends. Genau dann sind wir
maximal wettbewerbsfähig.
Für Tiroler Klein- und Mittelbetriebe
entsteht Marktvorsprung zusätzlich
aus Kooperationen mit Partnern, wie
sie die Tiroler Cluster anregen. Wie
Mitgliedsbetriebe dieser Cluster ihre
Visionen am Markt verwirklichen,
lesen Sie auf den folgenden Seiten drei
bis sieben.
Der geradlinige Weg Tirols zu einer
Wissensökonomie erfordert von
uns aber noch viel mehr. Vor allem
laufend Augenmerk darauf, was links
und rechts des Pfades passiert. Denn
die Erfolgsfaktoren in einem Techno-
logieland sind zahlreich und komplex
verknüpft. Diskurse wie der von der
Zukunftsstiftung soeben entworfene
‚Zukunftstalk’ liefern wichtige Ansätze
für das Tirol von morgen. Mein Dank
gilt zahlreichen Experten im Land, die
ihre Beteiligung ganz in den Dienst der
Sache gestellt haben.
Liebe
Leserinnen
und Leser
EDITORIAL
”
PATRIZIA ZOLLER-FRISCHAUF
Landesrätin für Wirtschaft
Foto: Land Tirol
S
ie wollten ein neues Rom
bauen, nahmen Geld in die
Hand, schrieben Wettbewer-
be aus. Künstler zog es in die Stadt,
die Bevölkerung verfolgte die Ent-
wicklung mit Interesse, junge Ein-
heimische entschieden sich für
künstlerische Berufe. Florenz wur-
de zum neuen Rom, von der Stadt
in der Toscana aus trat die Renais-
sance ihren Siegeszug an. Für den
Unternehmensberater und Buch-
autor Andreas Salcher ist dies nur
ein Beispiel, wie sich eine Region
zu einer innovationsfreundlichen
Region entwickelt. Und dass diese
Kunstwerke heute zu den wichtigs-
ten Einnahmequellen der Region
zählen, ist für Salcher eine „lustige
Laune des Schicksals“, denn: „An
Tourismus hat man in der Renais-
sance sicher nicht gedacht.“
Salcher lieferte beim Zukunfts-
talk die Key Note zum Thema „In-
novation amWendepunkt“ und das
Beispiel Florenz verdeutlicht meh-
rere Innovationsansätze von Sal-
cher. Für ihn ist Innovation immer
ein kollektiver Prozess („Der ein-
same Erfinder war wahrscheinlich
immer ein Mythos, heute stimmt
es ganz sicherlich nicht mehr.“)
und dass sich Innovation nicht am
Status Quo orientieren kann. Als
Beispiel nennt er dafür die Ge-
schichte der Nobelpreise in den
naturwissenschaftlichen Fächern
– die Hälfte der Forscher erhielten
diese Auszeichnung für Leistungen
in einem Fachgebiet, das zu Beginn
ihres Studiums noch gar nicht exis-
tiert hat. „Generell schaut es“, so
Salcher, „mit dem Stellenwert der
Forschung in Österreich nicht gut
aus.“ Eine Umfrage im Jahr 2007
über die bekanntesten Forscher
des Landes brachte zum Beispiel
recht skurrile Ergebnisse. Platz 1
war mit Anton Zeilinger nachvoll-
ziehbar, „Silber“ für Ex-„Modern
Times“-Präsentator Josef Broukal
verwunderte aber ebenso wie Rang
vier für Staatsoperndirektor Ioan
Holender.
Umnicht nur das Forscherimage,
sondern auch die Innovations-
leistung in Österreich zu heben,
stellt Salcher eine klare Forderung
in den Raum: „Österreich muss
die individuelle Förderung von Ta-
lenten in möglichst vielen, heute
vielleicht auch nicht bedeutenden
Gebieten, zur nationalen Priorität
machen.“ ]
Innovation im Wandel. Für Key Note-Sprecher Andreas Salcher ist Innovation
immer ein kollektiver Prozess und darf sich nicht am Status Quo orientieren.
Andreas Salcher: „Der einsame Erfinder
war wahrscheinlich immer ein Mythos.“
Nationale Priorität
Foto: Zukunftsstiftung
E
s war und ist ein Experiment: „Zu
abgehoben. Zu elitär. Zu sophis-
ticated“, meinten die Skeptiker von
vornherein. „Spannend. Endlich etwas
Neues. Kilometer sparend“, fanden
die Leitfiguren für „Tirol tomorrow“,
den Zukunftstalk der Tiroler Zukunfts-
stiftung: Drei Themen, drei Koryphä-
en von außen, drei Expertenrunden
von innen. Demographie-Spezialist
Reiner Klingholz, Sozialwissenschaft-
ler Bernd Marin und Bestsellerautor
Andreas Salcher lieferten Key Notes
zu „Europaregion Tirol global“, „Arbeit
im Wandel“ und „Innovation am
Wendepunkt.“ Videos dieser Reden
im Internet dienten als Grundlage für
Online-Chats mit je einer Handvoll
Tiroler Experten. Es waren rasante
Streitgespräche auf hohem Niveau.
Die dadurch gewonnenen Aussagen
sind gleichermaßen provokant wie
konstruktiv. Thesen über Gegenwart
und Zukunft des Standorts Tirol, die
als Handlungsanregung für Politik und
Wirtschaft taugen. Für die Teilnehmer
war es schon ein gelungenes Experi-
ment. Doch über Erfolg und Fort-
setzung entscheidet die Zielgruppe.
Ein Potpourri der griffigsten Aussagen
wird im Rahmen des 7. Tiroler
Innovationstages am 24. November in
Innsbruck präsentiert. (pp)
Tirol
tommorow
entsteht heute
ZUKUNFTSTALK
G
enau 4 Stunden, 59 Mi-
nuten und 31 Sekunden
diskutierten 18 Experten
(geführt von einemModerator)in
3 Online-Chats über die 3 The-
men, zu denen 3 Experten (Dr.
Andreas Salcher/Wien, Dr. Reiner
Klingholz/Berlin, Dr. Bernd Ma-
rin/Wien) ihre grundsätzlichen
Überlegungen vorgaben. Insge-
samt waren es 655 Wortmeldun-
gen mit 4202 Zeilen bzw. 21.572
Wörtern bzw. 141.967 Zeichen.
]
ZUKUNFTSTALK
IN ZAHLEN
Foto: Friedle
„Wir schätzen, dass die altersbe-
dingten Kosten, die bis 2030 anfallen,
in etwa das 20-fache der aktuellen
Krisenkosten ausmachen. Das heißt,
es würde so sein, als würden wir bis
zum Jahr 2030 jedes Jahr eine Krise
mit der Wucht der Weltwirtschafts-
krise des letzten Jahres haben.“
„Wir haben insbesondere bei
Frauen mit kleinen Kindern Belastun-
gen auf jeden zuverdienten Euro von
bis zu 65 bis 80 Prozent. Sehr reichen
Leuten würden wir das niemals
zumuten.“
Prof. Dr. Bernd Marin,
Key Note-Speaker „Arbeit im Wandel“
Foto: Zukunftsstiftung
Foto: Innsbruck Tourismus