Pflegewissenschaftler Jo-
hannes Hilbe konnte im Som-
mer erstmals seine Erfindung
Bucinator der Öffentlichkeit
präsentieren. Bucinator ist eine
technische Innovation, die in
Zukunft in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen
und auch zu Hause Stürze von Patienten aus
Pflegebetten verhindern soll. Die neue Tech-
nologie soll eine Überwachung der Patienten
sicherstellen, ohne deren Bewegungsspielraum
– wie dies bei herkömmlichen Systemen der Fall
ist – einzuschränken. Der Bucinator wurde am
UMIT-Institut für Pflegewissenschaft entwickelt,
im Rahmen einer klinischen Studie wissen-
schaftlich evaluiert, patentiert und jetzt auch zur
Marktreife geführt.
Im Rahmen der Wissenschaftlichen Sitzung
der Gesellschaft der Ärzte in Wien/Billrothhaus
wurde Ende Juni der Otto-Kraupp-Preis verge-
ben. Assistenzprofessor Priv.-Doz. Dr. Michael
Knoflach von der Univ.-Klinik für Neurologie
(Direktor: o.Univ.-Prof. Werner Poewe) der
Medizinischen Universität Innsbruck erhielt für
seine Habilitationsschrift zu Risikofaktoren bei
der Entstehung der Atherosklerose den dritten
Preis.
Eine weitere Auszeich-
nung konnte die ViraTherapeu-
tics GmbH von Dorothee von
Laer einheimsen. Das Spin-Off
der Leiterin der Sektion für
Virologie der Medizinuni Inns-
bruck erreichte beim deutschlandweit größten
Businessplan-Wettbewerb der Branchen Life
Sciences und Chemie den zweiten Platz.
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standort
Medizintechnik made in Tirol
Thema: [ LIFE SCIENCES TIROL ]
Gemessen an der Einwohnerzahl hat Tirol allein mit 18 Kernunternehmen der Medizintechnik-Branche, welche
über 2100 Personen beschäftigen, eine höhere Dichte an Medtech-Unternehmen als Wien. Erstmals gibt es nun einen
gebündelten Überblick über diese Branche, und zwar im Branchenkatalog „Medizintechnik made in Tirol“. Über 50
Unternehmen werden darin porträtiert, dazu kommen noch 21 universitäre und außeruniversitäre Forschungsgruppen
sowie sechs Kompetenzzentren. Downloadmöglichkeit:
www.standort-tirol.at/medizintechnikScience
Mehr Top-Betriebe aus dem Cluster
Life Sciences Tirol finden Sie auf
www.standort-tirol.at/mitgliederMehr Info
[
]
I
st von Pilzen die Rede, kommen
einem zumeist vor allem die ess-
baren Vertreter der Gattung in
den Sinn, die in den Sommermona-
ten die Waldböden säumen und in
den heimischen Küchen den Weg
auf so manchen Esstisch finden. Bei
näherer Betrachtung offenbart sich
jedoch das ganze Reich der Pilze
mit dessen immenser Bedeutung
für den Menschen, sei es als Lebens-
mittel, in der Lebensmittelproduk-
tion (Brot, Käse, Alkohol) oder als
Primär- und Sekundärmetabolit in
der Pharmaindustrie. Pharmazeu-
tische Relevanz haben die Pilze zu-
erst durch das 1928 von Alexander
Fleming aus dem Pilz
Penicillium
chrysogenum
gewonnene Antibioti-
kum Penicillin – ein sogenanntes
sekundäres
Stoffwechselprodukt
des Pilzes – erlangt. Die Pharma-
industrie nützt Hyphenpilze noch
heute zur Herstellung von Antibio-
tika, aber auch zur Erzeugung von
für die Transplantationsmedizin
notwendigen Immunsuppressiva,
für Steroide und für Statine, welche
cholesterinsenkend wirken.
Der Molekularbiologe Hubertus
Haas von der Medizinischen Univer-
sität Innsbruck forscht seit mehr als
zwei Jahrzehnten an Pilzen, seit eini-
gen Jahren in einem CD-Labor zur
„Biotechnologie der Pilze“. „Meine
ersten Gehversuche auf dem Gebiet
der Pilzgenetik habe ich 1988 wäh-
rend meiner Diplomarbeit in der
Firma Sandoz mit
Penicillium chryso-
genum
gemacht“, sagt Haas, der die
einseitig negativen Konnotationen,
die im gesellschaftlichen Diskurs
um den Genbegriff kreisen, bedau-
ert. In diesem Zusammenhang hofft
der Biologe zukünftig auf eine diffe-
renziertere Betrachtungsweise der
Gentechnologie. Hauptzweck der
nach dem Mathematiker und Phy-
siker Christian Doppler benannten
Labors ist die Förderung der Koo-
peration von Wirtschaft und Wis-
senschaft. Hier geschieht dies über
eine Kooperation mit dem in Kundl
angesiedelten Generikahersteller
Sandoz, der sich die Projektkosten
mit der öffentlichen Hand teilt. Ex-
pertise gibt es sowohl in Hubertus
Haas‘ Team als auch in Kundl im
Übermaß. Schließlich entdeckte
man dort bereits 1951 das säuresta-
bile Penicillin V, das erstmals die
Verabreichung des Antibiotikums
durch Schlucken ermöglichte. Bis
zu diesem Zeitpunkt konnte Peni-
cillin nämlich aufgrund seiner Säu-
relabilität ausschließlich als Infusion
verabreicht werden.
Das aus einem Post-Doc, einem
Doktoranden sowie einigen Diplo-
manden bestehende Team um Haas
betreibt Stammoptimierung zur Ver-
besserung verschiedener genetisch
genau definierter Eigenschaften
von Pilzstämmen. Dadurch sollen
genetisch stabile Hyphenpilze in
kommerziellen Anwendungen – wie
etwa bei der industriellen Herstel-
lung von Antibiotika – garantierte
und hohe Ausbeuten bringen. Haas‘
gesamte Forschungstätigkeit be-
schäftigt sich mit zwei auf den ersten
Blick gegensätzlichen Zielen: „Wir
wollen einerseits gemeinsam mit
Sandoz die industrielle Nutzung von
Pilzen verbessern, andererseits sind
wir auch bestrebt, die Achillesferse
der Pilze zu finden, um Pilzinfekti-
onen wirksam bekämpfen zu kön-
nen.“ So sind Transplantationspa-
tienten auf Immunsuppressiva wie
etwa das aus einem Pilz gewonnene
Cyclosporin A angewiesen; durch
das unterdrückte Immunsystem
sind diese Patienten aber wiederum
anfällig für andere Pilzinfektionen.
Haas beschreibt die Ziele der For-
schung im CD-Labor folgenderma-
ßen: „Bei der industriellen Produk-
tion im Fermenter entsteht für die
Pilze Stress. Wir wollen wissen, wie
die Pilze auf diesen Stress reagie-
ren. Dazu muss man herausfinden,
welche Gene für Stressresistenz ver-
antwortlich sind und wie man diese
Resistenz gezielt steuern kann. Wei-
ters arbeiten wir an der Verbesse-
rung der molekularen Werkzeuge,
die wir brauchen, um den Meta-
bolismus studieren und verändern
zu können.“ Im CD-Labor arbeitet
Haas hauptsächlich am Pilz
Acre-
monium chrysogenum
, aus dem der
antibiotische Wirkstoff Cephalo-
sporin hergestellt wird. Einige sei-
ner ehemaligen Projektmitarbeiter
sind mittlerweile direkt bei Sandoz
beschäftigt, was Haas als positiven
Nebeneffekt der Kooperation von
Wirtschaft und Wissenschaft im CD-
Labor empfindet.
]
Hubertus Haas: „Wir verbessern die Pilze und optimieren die molekularen Werkzeuge.“
Foto: Friedle
Der Innsbrucker Molekularbiologe Hubertus Haas ist den Pilzen verfallen. In einem Christian Doppler
Labor erforscht er mit seinem Team in Kooperation mit Sandoz die „Biotechnologie der Pilze“.
„Können von den Pilzen lernen“
FAKTEN. NEWS.
[ Thema: Life Science ]
Foto: Friedle
Foto: Lechner
Dem Patienten eine Stimme geben
[ konkret GESEHEN ]
D
ie Zeit, die Ärzte im persönlichen
Gespräch mit ihren Patienten
verbringen, ist wertvoll und begrenzt.
Um das Patientengespräch zielgerichteter
und damit wirkungsvoller gestalten zu
können, hat das von Bernhard Holzner
und Gerhard Rumpold als akademisches
Spin-Off gegründete Unternehmen ESD
(Evaluation Software Development) eine
Software (CHES – Computer-based
Health Evaluation System) entwickelt,
deren Schwerpunkt auf der zielgerichte-
ten und standardisierten Erhebung und
grafischen Aufbereitung von körperlichen
und psychosozialen Symptomen liegt.
Die Hauptanforderung an die Software
formuliert Holzner so: „Im Grunde
genommen geht es darum, dem behan-
delnden Arzt ein von der Patientenseite
her standardisiertes Feedback über sei-
nen Gesundheitszustand zu geben. Denn
wenn der Arzt den Patienten erst nach
dreißig Symptomen befragen muss, kann
kein Gespräch zustande kommen.“ Liegt
Ärzten aber schon vorab eine Selbst-
einschätzung des Patienten über dessen
Gesundheitszustand vor, könnten diese
viel fokussierter nachfragen, so Holzner.
Belastende Faktoren könnten somit rasch
erkannt und dem Behandlungsteam
anschaulich dargestellt werden. Für jeden
Patienten kann somit die den indivi-
duellen Bedürfnissen entsprechende,
bestmögliche Behandlung gewährleistet
werden. Vom Einsatz der entwickelten
Evaluationssoftware CHES profitieren
aber nicht nur Patienten und Ärzte,
sondern auch die Wissenschaft und nicht
zuletzt die Kliniken und Krankenhäuser
selbst, welche den Output der Software
zur Qualitätssicherung heranziehen kön-
nen. Die standardisierte Auswertung der
gewonnenen Daten über einen längeren
Zeitraum hinweg ermöglicht die wissen-
schaftliche Evaluation von Behandlungen.
Die Produktidee entstammt sowohl der
wissenschaftlichen Forschung als auch
der klinischen Routine. Das Programm
soll mittels „Patient-reported outcomes“
– also subjektiver Patientenangaben – das
häufig beklagte Defizit beheben, dass das
subjektive Befinden der Patienten immer
wieder aufs Neue vom Arzt erfragt,
interpretiert und aufgezeichnet werden
muss und bislang keinen lückenlosen und
systematischen Eingang in die Kranken-
akte findet. Kunden des Unternehmens
sind überwiegend Kliniken und Kran-
kenhäuser, wobei die Anwendung der
Software auch für Gruppenpraxen einen
Mehrwert darstelle, betont Holzner.
Im Rahmen eines Oncotyrol Projekts
wurde mit der Firma World Direct
zudem eine iPad-App für CHES ent-
wickelt, um ein webbasiertes Patien-
tenmonitoring auch von zu Hause aus
durchführen zu können. Der Schutz der
Patientendaten sei zu jedem Zeitpunkt
gewährleistet, für die wissenschaftliche
Evaluierung würden die Daten natürlich
anonymisiert, Datenmissbrauch sei prak-
tisch ausgeschlossen, stellt Holzner fest.
Das BKH Kufstein und die Universitäts-
klinik Innsbruck waren unter den ersten
Partnern von ESD, man kooperiert seit
beinahe zehn Jahren. Die Resultate
dieser Kooperationen sind vielverspre-
chend. ESD treibt in Zusammenarbeit
mit Oncotyrol und World Direct die
Softwareentwicklung weiter voran.
Gesund abhängen
Ein neues vielversprechendes Therapiegerät aus
Tirol soll bei Problemen mit der Wirbelsäule helfen.
D
ie TKH-Medical GmbH aus
Häselgehr im Außerfern
hat gemeinsam mit einem
Ärzteteam der Meduni Innsbruck
unter der Leitung von Univ.-Prof.
Erich Mur das „SwingMED“ entwi-
ckelt: Das Therapiegerät basiert auf
dem Prinzip der jahrtausendealten
Streckbehandlung der Wirbelsäule
und ist eine Weiterentwicklung des
Wirkprinzips der dynamischen Ex-
tension. „Unser SwingMED bietet
eine erfolgversprechende Möglich-
keit, verschiedenste Wirbelsäulen-
Probleme mit einer konservativen
Therapie zu behandeln und das
effizient und gut verträglich. Es
zeichnet sich auch durch eine sehr
bequeme Abwicklung der Behand-
lung aus“, betont GF Thomas Koh-
ler. Die Behandlung bewirkt eine
sanfte Dehnung der Muskeln und
Bänder, führt zu einer schonenden
Separation der Gelenksflächen
der kleinen Wirbelgelenke sowie
zu einer Druckverminderung im
Bereich der Bandscheiben. In den
letzten Jahren wurden an der Uni-
klinik Innsbruck Studien zur dyna-
mischen
Extensions-Behandlung
durchgeführt. „Diese und andere
Studien bestätigen eindrucksvoll die
positiven Effekte unseres Behand-
lungsansatzes. Wobei die Besserung
meist mehrere Monate über das
Therapie-Ende hinaus andauert“,
betont Kohler. Mittlerweile wird
die dynamische Extensionstherapie
bereits an über 40 Standorten in
Österreich, Deutschland, Holland,
Italien, Slowenien und Kroatien
mit großem Erfolg eingesetzt. Die
Zielgruppe sind Kliniken, Kur- und
Rehazentren, Physiotherapeuten,
Orthopäden, Allgemein- und Sport-
mediziner sowie die Top-Hotellerie
mit Medical-Spa-Bereich. Mehr In-
fos unter
www.swingmed.at]
Foto: ESD
Bernhard Holzner bei der Präsentation
von CHES-Statistiken
TKH-GF Thomas Kohler
Foto: Huber