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STANDORT
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TECHNIK
W
enn ein Auto-Konzern
einen neuen SUV bauen
will, kann das schon mal
eine transkontinentale Geschichte
werden. In Tuscaloosa/Alabama resi-
diert Daimler, für dessen neuen SUV
baut der deutsche Automotiv-Zuliefe-
rer SMP, eine Tochter der indischen
SMG, ebenfalls in Tuscaloosa ein ei-
genes Werk, dessen Intralogistik-Pla-
nung aus Innsbruck stammt. Dass ihr
Auftraggeber aus der Automobilin-
dustrie komme, sei inzwischen nicht
mehr ungewöhnlich, meint Hannes
Green von der Innsbrucker Logis-
tik-Beratung Green („Das sind derzeit
rund 90 Prozent unserer Aufträge.),
für SMP habe er mit seinem Part-
ner Bernhard Lechner auch schon
gearbeitet („In Neustadt an der Do-
nau.“). Eher besonders sei, dass es
um ein neues Werk auf der grünen
Wiese gegangen sei („Der Großteil
unserer Arbeit betrifft Umbauten
und Erweiterungen.“), gänzlich un-
gewöhnlich wäre gewesen, dass man
sich beim Planen an die traditionel-
le Architekturlehre Vastu, dem indi-
schen Pendant zu Feng-Shui, halten
musste („Diese Firmenphilosophie
war eine Herausforderung, weil sich
Philosophie und optimale Prozesse
nicht immer decken.“).
„Die Intralogistik spielt sich im
Werk ab, es geht um die Material-
und Warenflüsse bis zur Übergabe
an den LKW“, beschreibt Green sei-
ne Arbeit. Mit den Produktionspro-
zessen habe man weniger zu tun,
vielmehr gehe es um den Puffer oder
die Vernetzung zwischen den Pro-
duktionsprozessen und natürlich um
das Lager. „Ein Lager will eigentlich
niemand haben. Es kostet viel und
alles, was dort steht, ist gebundenes
Kapital“, lacht Green. Daher sei der
Knackpunkt die optimale Integration
des Lagers in die Produktionsprozes-
se. Ausgangspunkt ist eine genaue
Analyse eben dieser Prozesse, um
manuelle oder halb- bis vollautoma-
tische Lösungen anzubieten.
Im Fall von SMP, für die Lechner
und Green auch die Intralogistik in
einem zweiten neuen Werk im un-
garischen Kesckemét konzipiert ha-
ben, wäre das Zusammenführen der
Produktionsprozesse, die Verknüp-
fung von eigengefertigten und zuge-
kauften Teilen sowie die Vernetzung
vom Spritzguss- über den Lackier-
zum Montagebereich die Herausfor-
derung gewesen.
„SMP beliefert Daimler mit Inte-
rieur- und Exterieurbaugruppen“,
erzählt Green. Stoßfänger, Spoiler,
Cockpits etc. müssen stets für alle
produzierten Fahrzeugvarianten in-
nerhalb weniger Stunden lieferbar
sein, da moderne Automobilwerke
customized fertigen. Am Monta-
geband wird daher eine strikte Se-
quenzreihenfolge – die sogenannte
Perlenkette – eingehalten, an der
sich der Zulieferer und somit auch
seine Logistik orientieren müssen.
Das Werk in Tuscaloosa (Green:
„Die Produktionsfläche beträgt
70.000 Quadratmeter.“) wird derzeit
gebaut, 2018 startet die Produktion
der SUV-Teile – wo die SUVs dann
fahren werden, ist wieder eine trans-
kontinentale Geschichte. Mehr Info
gibt‘s auf
www.lb-green.at]
Erstmals wurde heuer
der „Staatspreis Patent“
vergeben. In drei Katego-
rien hat eine Jury außer-
gewöhnliche innovative
Leistungen ausgewählt.
Das „Patent des Jahres“ ging dabei an den
Osttiroler Michael Bacher (gemeinsam mit
Meinhard Breiling, Sergey Sokratov und
Frederick Georg Best). Mit ihrer „Schnee-
wolke“, die in Obergurgl getestet wird,
lassen sie auf Knopfdruck Pulverschnee
aus einer künstlichenWolke rieseln. Das
neue Verfahren verbraucht dabei we-
sentlich weniger Wasser und Energie als
herkömmliche Schneekanonen.
Von Erl, der E-Zigaret-
tenhersteller aus Hall, kann
mit einer Erfolgsmeldung
aufwarten, wurden doch,
so CEO Günter Höfert,
im Frühherbst Verträge
mit einem Marktvolumen von über zehn
Millionen Euro für das kommende Jahr mit
Großhändlern in den USA unterzeichnet.
Auch in Kanada wurden die Produkte
gelauncht. Das „Start-up“ Von Erl ist eine
Tochter des Tiroler Präzisionsmecha-
nik-Unternehmens Sistro, die Idee für Lu-
xus-Verdampfer und E-Liquids entstammt
der hauseigenen Innovationsabteilung.
FAKTEN. NEWS.
[ Thema: Mechatronik ]
Foto:Von Erl
MehrTop-Betriebe aus dem Cluster
MechatronikTirol finden Sie auf
www.standort-tirol.at/mitgliederMehr Info
[
]
M
itWien (Produktions- und
Logistikmanagement) und
Graz (Visual Computing) verfügt die
Fraunhofer Austria Research GmbH
über zwei Standorte in Österreich, mit
Wattens wurde im Herbst der dritte
Stützpunkt der Tochtergesellschaft der
deutschen Fraunhofer-Gesellschaft
eröffnet. Um „DigitaleTransformation
der Industrie“ will man sich kümmern,
also die „Umsetzung von Big Data in
Produktion und Logistik“ beschreibt
Michael Stockinger das Aufgabengebiet,
das in Zusammenarbeit mit Forschung
und Industrie inTirol bearbeitet wer-
den soll. Ein großes Betätigungsfeld, gibt
der Fraunhofer-Mitarbeiter zu, daher
sei es auch eine seiner Aufgaben, darin
Themenfelder zu definieren, die man
konkret angehen möchte.
Eines soll die Datenverarbeitung in
Echtzeit sein. „Das spielt auch abseits
der Industrieproduktion eine Rolle“,
sagt Stockinger und nennt die Mo-
bilität der Zukunft als Thema. „Beim
autonomen Fahren geht es auch um
Datenverarbeitung in Echtzeit.“ Aber
auch Skigebiete, so Stockinger, werden
immer mehr mit Echtzeitdaten, etwa
über Auslastung der Pisten, Zugang zu
Liften etc., zu tun haben. „Erklärtes Ziel
für das Frühjahr 2017 ist es, mindestens
einen attraktiven Forschungsantrag in
einem FFG-Programm einzubringen“,
hält Stockinger fest, zudem starte man
mit einemTiroler Industriepartner
2017 ein Industrie 4.0-Projekt: „Ein
Ergebnis aus einem bereits erfolgreich
durchgeführten 4.0-Roadmapping-
Projekt.“ Längerfristiges Ziel inWattens
ist, nach dreijähriger Aufbauphase
– 2017 sollen vier neue Mitarbeiter
nachTirol kommen – einen eigenstän-
digen dritten Geschäftsbereich von
Fraunhofer Austria, der eventuell über
eine Stiftungsprofessur imThemenfeld
von Data Science an die Uni Innsbruck
angebunden werden soll, zu etablieren.
Schon etabliert ist das Fraunhofer
Industrie 4.0-Reifegradmodell, mit dem
ein Unternehmen in einem drei- bis
viermonatigen Prozess Schritt für
Schritt zu konkreten Industrie 4.0-Pro-
jekten begleitet wird. „Es ist sehr
technologiegetrieben“, so Stockinger.
Um das Reifegradmodell auch für Tiro-
ler KMUs attraktiver zu machen, habe
man die betrachteten Dimensionen
nochmals auf deren spezielle Anfor-
derungen abgestimmt: „Wir können
Workshops für KMUs über zwei bis
drei Tage anbieten.“ Eine wohl einma-
lige Gelegenheit, die eigene Industrie
4.0-Fitness unter die Lupe zu nehmen.
Infos unter
www.fraunhofer.atW
enn Edwin Meindl etwas
anpackt, ist es normaler-
weise für etwas Größeres
bestimmt. Sein 1998 gegründetes
Unternehmen Micado gilt als Spe-
zialist für Produktionswerkzeuge
von Faserverbundbauteilen, die in
der Flugzeug- und Automobilindus
trie zum Einsatz kommen, und als
Ansprechpartner für automatisier-
te Sondermaschinen. Doch Meindl
brachte auch sein sportliches Hobby
ins Unternehmen ein. „2009 ent-
stand die Idee einer Steighilfe für
Skitourenbindungen, die sich auto-
matisch der vorhandenen Steigung
anpasst“, blickt Meindl zurück. Aus
der Idee wurde ein Prototyp – und
in der Zwischenzeit eine eigene
Fünf-Mann-Abteilung, die sich un-
ter der Leitung von Roland Tiefnig
der Produktentwicklung verschrie-
ben hat, zu den Kunden zählen etwa
Liebherr, Gloryfy, Salomon oder Sa-
lewa.
„Für Salewa entwickeln wir rund
90 Prozent der Hardware“, berich-
tet Meindl. Auch die Salewa-Tochter
Wild Country wandte sich vor knapp
zwei Jahren an die Osttiroler. „Sie
sind mit einem Prototypen für ein
vollautomatisches Sicherungsgerät
zu uns gekommen“, erinnert sich
Tiefnig. Ganz so einfach war es dann
aber doch nicht, zahlreiche Versu-
che und Varianten stecken in den
acht Teilen, die als Einheit unter
dem Namen Revo auf der heurigen
Outdoor Messe in Friedrichshafen
präsentiert wurden.
Die Kletter-Community war be-
geistert, der Revo wurde mit dem
Outdoor Industry Award prämiert
und kommt 2017 auf den Markt.
Der selbstständig blockierende Me-
chanismus reagiert, wenn das Seil
mit mehr als 2,5 Meter pro Sekunde
durch die Rolle läuft und verhindert
so – weite – Abstürze, zudem blo-
ckiert es als erstes Sicherungsgerät
in beide Richtungen. Getestet wur-
de der Revo an der hauseigenen, 18
Routen großen Kletterwand. Neben-
bei ist der seit 2014 fertiggestellte
imposante Neubau aus Sichtbeton,
Lärchenholz, Schiefer und Glas ein
wichtiger Nährboden für innovative
Ideen.
Wenn wie im Fall Salewa/Wild
Country ein Kunde mit einem Prob-
lem an sie herantrete, überlege man
sich eben Lösungen, meint Tiefnig,
diese werden nach Abklärung even-
tueller Patente – „Ein Mitarbeiter
kümmert sich fast ausschließlich
um Patentrecherche.“ – präsentiert,
die vom Kunden gewünschte Form
dann über den Prototyp bis zur Se-
rienreife entwickelt. Gegebenenfalls
betreut man auch die ersten Produk-
tionsschritte – im Fall von Revo war
ein Micado-Mitarbeiter in Asien vor
Ort. Mehr Informationen gibt‘s auf
www.micado.at]
Sichere Seilschaften
Für den Bergsportprofi Salewa konzipierte Micado ein vollautomatisches
Sicherungsgerät, das mit dem Outdoor Industry Award ausgezeichnet wurde.
Foto:Andreas Friedle
Michael Stockinger: „Mindestens ein
attraktiver FFG-Antrag Anfang 2017.“
Edwin Meindl, RolandTiefnig,
(v.ob.):
„Fürden Revo gab‘s auf der Outdoor
in Friedrichshafen sehr gutes Feedback.“
Intralogistik-Lösungen: IT-unterstützte Komponenten-Kommissionierung (Halbautomatik); Fahrerlose Transportsysteme für die Produktionslogistik (Vollautomatik)
Fotos:Madeleine Gabl
Logistik-Beratung:
Fit machen für die Perlenkette
Exper tise maßgeschneider t
Thema: [ MECHATRONIKTIROL ]
Die Uni Innsbruck, die FHVorarlberg, die FH Salzburg und 21 Firmen haben sich gemeinsam zu
einem von der FFG geförderten Qualifizierungsnetz zusammengeschlossen. In dem Projekt werden
gezielt Schulungen für die beteiligten Unternehmen und deren Beschäftigte zu allen Aspekten von
Industrie 4.0 angeboten. Aus Tirol sind sechs Unternehmen beteiligt, die insgesamt 38 Mitarbeiter
schulen lassen. Den Anstoß für die Initiative lieferten die Cluster Mechatronik und ITTirol.
Industrieller Reifegrad
[ konkret GESEHEN ]
Fotos:LB Green (2)
Foto:pro.media