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0217

STANDORT

V

or rund zehn Jahren war die

Überlegung, dass Krebs eine

Immunerkrankung ist, noch

sehr umstritten, weiß der Innsbru-

cker Forscher Gottfried Baier, „als

Immunonkologe bin ich noch belä-

chelt worden“. Bahnbrechende Er-

folge erster Immuntherapien (Baier:

„Mit ihnen gelang es erstmals, un-

heilbare Lungenkrebserkrankungen

zu kontrollierten Erkrankungen zu

machen.“) führten zu einem Um-

denken, auch wenn diese ersten

Therapien, die eine Reaktivierung

des schützenden Immunsystems be-

wirken, noch limitierte sind. „Erstens

sprechen nur wenige der Patienten

darauf an, von diesen wiederum spre-

chen manche zu gut, sprich mit Au-

toimmunsyptomen an, was einen Be-

handlungsabbruch erzwingen kann.

Und drittens sind Krebsimmunthe-

rapien mit diesen biotechnologisch

hergestellten Biologicals extrem teu-

er, ein Gramm der Substanz kostet

das Tausendfache von Gold“, erklärt

der Direktor der Sektion für Trans-

lationale Zellgenetik an der Medi-

zinischen Universität Innsbruck.

Baier möchte daher einen anderen

Weg gehen, an dessen Ziel, so des

Forschers Traum, „eine Pille gegen

Metastasen“ stehen könnte. Errei-

chen will Baier dies mit dem Zielmo-

lekül NR2F6, einem intrazellulären

Immun-Checkpoint, mit dem die

Immunabwehr gezielt im Tumor ak-

tiviert werden kann. Tatkräftige und

finanzielle Unterstützung erhält der

gebürtige Vorarlberger dabei vom

japanischen Big-Pharma-Unterneh-

men Daiichi Sankyo (Umsatz 2015

über sieben Milliarden Euro).

Den europäischen Big-Pharma-

Partnern war Baiers Idee, ein völlig

neuartiges Krebsmedikament zu

entwickeln, das NR2F6 pharmakolo-

gisch hemmen kann, zu riskant. „Die

Japaner sagten: Sounds good to us“,

erklärt Baier, geprüft „und im Labor

in Tokio nachgekocht“ wurden seine

Forschungsergebnisse zu NR2F6 den-

noch – und überzeugten. Eine erste

finanzielle Förderung erhielt Baier,

um zu zeigen, dass die Erkenntnisse

aus dem Mausmodell im Labor auch

auf menschliches Tumorgewebe zu-

treffen: „Das ist uns gelungen.“ Da-

nach checkte Daiichi Sankyo seine

zwei Millionen Substanzen umfas-

sende Sammlung nach passenden

und

nicht-patentierten

NR2F6-

Hemmstoffen – und wurde fündig.

„Der nächste und aufwendige

Schritt ist die chemische Optimie-

rung der vielversprechendsten Sub-

stanzen und dann die finale Auswahl

des Arzneimittelkandidaten“, sagt

Baier, In den nächsten zwei Jahren,

ist er optimistisch, sollte sich zeigen,

„ob wir die erste Ziellinie, den Start in

die klinischen Phasen I und II errei-

chen können.“ Unterstützung findet

er dabei in seinem neuen Christian-

Doppler-Labor. Rund 2,2 Millionen

Euro stehen Baier für die weiterfüh-

rende Forschung an NR2F6 in den

nächsten sieben Jahren zur Verfü-

gung, Mit diesem Schritt habe er,

lacht der 54-Jährige, das komfortable

Laborleben verlassen und sich in ei-

nen Bereich begeben, „in dem man

akademisch auch leicht abstürzen

kann.“ Voraussetzungen fürs „Oben-

bleiben“ bringt Baier jedenfalls mit:

Als Bergsteiger war er u.a. im Hima-

laya am Gipfel des 7161 Meter hohen

Pumori. ]

Gottfried Baier sucht mit einem Big-

Pharma-Partner aus Japan nach einem

revolutionierenden Krebsmedikament.

Foto:Andreas Friedle

Innovation mit Absturzgefahr

Im CD-Labor für pharmakologische Krebsimmuntherapie geht Gottfried Baier den

„österreichischen Weg“, der sich auf intrazelluläre Immun-Checkpoints fokussiert.

VASCage erhält ausgezeichnete Kritiken zur Projekthalbzeit

Seit 2014 läuft im Rahmen von COMET das K-Projekt VASCage (Research Center of Excellence in

Vascular AgeingTyrol). Geleitet von der Medizinuni Innsbruck werden die altersbedingtenVeränderungen in

der Gefäßwand – beginnend von erstenVeränderungen im Jugendalter bis hin zu den typischen Pathologien

des höheren Lebensalters – erforscht. Laut einer aktuellen Zwischenbilanz entstanden seither 30 hochkarätige

Arbeiten inTop-Journalen, die teilweise in die Entwicklung neuer Diagnostika undTherapien münden werden.

SCIENCE

Mehr Top-Betriebe aus dem Cluster

Life SciencesTirol finden Sie auf

www.standort-tirol.at/mitglieder

Mehr Info

[

]

FAKTEN. NEWS.

[ Thema: Life Science ]

Der in der Ukraine

geborene Taras Valovka

beschrieb im Fachjournal

PNAS erstmals einen

neuen Mechanismus im

Zusammenhang mit der

Regulation von Entzündungsgenen und

liefert damit einen Angriffspunkt für die

Entwicklung innovativer Therapieoptionen

bei Autoimmunerkrankungen und Krebs.

Der Forscher an der Sektion für Neuro-

anatomie der Medizinischen Universität

Innsbruck wurde für diese Arbeit mit

dem Preis des Fürstentums Liechtenstein

ausgezeichnet.

Zwei Forscher der

Innsbrucker Universitätskli-

nik für Neurologie wurde

vor Kurzem von der Tiroler

Ärztekammer für ihre

Leistungen ausgezeichnet.

Gregor Wenning (im Bild) befasst sich

seit mehr als zwei Jahrzehnten mit den

Ursachen, demVerlauf und der Therapie

der progressiven neurodegenerativen

Multisystematrophie und erhielt dafür den

Dr.-Johannes-Tuba-Preis. An Philipp Mahl-

knecht ging der Förderungspreis für junge

ärztlicheWissenschafterInnen aufgrund

seiner Arbeiten zur idiopathischen REM-

Schlaf-Verhaltensstörung.

Foto:Uni Innsbruck

Foto:MUI

Thema: [ LIFE SCIENCES TIROL ]

T

raditionelle Biotechnologie

findet im 2000-Liter-Bereich

statt“, weiß der gelernte Che-

mielaborant und MCI-Absolvent Jo-

hannes Kirchmair, „die Reinigung

dieser Anlagen ist sehr kompliziert,

weil darauf geachtet wird, dass da-

nach alles wieder steril ist und nicht

einmal ein Pikogramm der vorigen

Substanz in den Behältern zurück-

bleibt.“ Die zeit- und kostengünstige

Lösung sind große Einwegsäcke aus

Kunststoff im Inneren des Tanks,

nach genauen Vorgaben produzierte

Single-Use-Produkte. Doch nicht nur

in großen Bioreaktoren kommen

Single-Use-Systeme zum Einsatz, für

Forschungszwecke etwa werden viel

kleinere Mengen benötigt, ein flexi-

bles Produzieren ist dafür notwendig.

Auch am Ende der Produktion be-

steht Bedarf an Single-Use-Bags. „Das

Ergebnis einer Produktion sind z.B.

200 Liter einer hochkonzentrierten

Lösung für ein Krebsmedikament.

Die wird in Beutel mit einem Volu-

men vom fünf Liter abgefüllt, gelagert

und transportiert“, erklärt Kirchmair.

Es stellt sich die Frage der Sicherheit:

War der Single-Use-Bag vor der Befül-

lung auch wirklich dicht? Durch ein

noch so kleines Loch könnten Ver-

unreinigungen in den Bag gelangen,

ein potenzielles Risiko für Patienten.

Auf der anderen Seite könnte die

hochkonzentrierte Substanz durch

ein Loch austreten, ein potenzielles

Risiko für die Umwelt.

„Es gibt noch keine Technologie,

die im Reinraum die hundertpro-

zentige Dichtheit eines Single-Use-

Bags garantiert“, nennen Kirchmair

und Wirtschaftsingenieur Thomas

Wurm die Marktlücke, die sie mit ih-

rem 2016 in Kirchbichl gegründeten

Unternehmen Single Use Support

schließen wollen. Dabei setzen sie

auf Helium und Vakuum. Aufgrund

seiner chemischen Eigenschaften

eignet sich Helium als Tracer-Gas,

um Kleinstlecks aufzuspüren. Da es

in der Umgebungsluft auch nur in

ganz geringen Mengen vorkommt,

ist eine erhöhte Konzentration zu-

dem leicht messbar. „Es gibt schon

Dichtheitsmessungen mit Helium“,

erzählt Wurm, der Nachteil sei nur,

dass dabei der Bag stark aufgebläht

wird, der Prüfling bei der Prüfung so-

zusagen geschädigt wird. Nicht so bei

der SUS-Innovation. Zur Messung

im Reinraum kommt der Bag, an

den schon bei der Herstellung eine

Art Heliumkartusche befestigt wird,

in einen Behälter, wird auf ein Vlies

gebettet und mit einer Kunststoffhül-

le umgeben. Dann wird ein Vakuum

gezogen und der Bag mit Helium

gefüllt, ein im Gerät integriertes Mas-

senspektrometer misst einen mög-

lichen Heliumaustritt.

Das Alphagerät ist derzeit bei

einem Kunden im Probeeinsatz, mit

zwei Pharmagrößen bestehen Ver-

träge, um das Gerät zur Marktreife

zu bringen. Die Beta-Variante ist für

September eingeplant, gefördert von

aws und FFG. „Optisch fertig und

mit angeschlossener Software“ ist das

Ziel, drei, vier Partner sind als Tester

fürs Finetuning angepeilt, Frühling

2018, so der ambitionierte Plan, sol-

len die ersten Kunden beliefert wer-

den. Info:

www.susupport.com

]

Das Kirchbichler Start-up Single Use Support hat Big Pharma im Visier. Sein innovatives Verfahren

garantiert die Dichtheit von Einweg-Kunststoffbeuteln, die in der Pharmaindustrie immer wichtiger werden.

Perfekte Dichtheitskontrolle

Foto:Andreas Friedle

ThomasWurm und Johannes Kirchmair

(v.li

.) setzen auf Helium undVakuum, um im Reinraum Single-Use-Systeme zu prüfen.

[ konkret GEFRAGT ]

Ein EU-Portal für alle Studien

S

eit 2006 bietet das Koordinie-

rungszentrum für klinischen

Studien (KKS) eine kostenlose Ba-

sisberatung für universitäre und au-

ßeruniversitäre klinische Forschungs-

projekte in Tirol. Ende 2018 soll die

neue Clinical Trial Regulation der EU

starten. Diese bringt eine Reihe von

Änderungen für klinische Studien im

Arzneimittelbereich mit sich – welche,

erklärt Sabine Embacher, Leiterin des

KKS an der Mediziniuni Innsbruck:

SABINE EMBACHER

:

In Zukunft

gibt es für alle Studien nur mehr eine

Einreichung über ein EU-Portal. Man

wählt ein Land als Reporting Mem-

ber State und weitere als Concerned

Member States dazu. Die Studie wird

dann für das Genehmigungsverfahren

in diesen Ländern verteilt, die Kom-

munikation läuft über dieses Portal.

STANDORT:

Das klingt nach einer

bürokratischenVereinfachung.

EMBACHER

:

Auf dieser Ebene. Nati-

onale Unterlagen für länderspezifische

Unterschiede muss man weiterhin

über das Portal hochladen. Weniger

Dokumente werden es nicht.

STANDORT:

Gibt es Fristen?

EMBACHER

:

Es gibt sehr strikte und

enge Zeitlinien, sowohl für die Einrei-

cher als auch für die Behörden, die

mit Unterstützung der Ethikkommissi-

onen die Anträge begutachten – z.B.

zehn Kalendertage für die gesamte

Validierung der Unterlagen.

STANDORT:

Der Antragsteller weiß,

bis wann er eine Antwort bekommt?

EMBACHER

:

Ja, aber auch für Nach-

reichungen bleibt wenig Zeit, aufschie-

bende Bedingungen gibt es nicht mehr.

STANDORT:

Bis zur Entscheidung

„darf durchgeführt werden oder

nicht“ vergehen maximal 106Tage.

EMBACHER

:

Ja. Wenn die Zeitlinien

ohne Entscheidung verstreichen, ist

die Studie wie eingereicht akzeptiert.

STANDORT:

Was heißt das für Ein-

reicher?

EMBACHER

:

Die Unterlagen sollten

zu Beginn komplett sein. Daher infor-

mieren wir und wollen Schulungsun-

terlagen und Manuals zusammenstel-

len.Wir könnten auch das Einreichen

selbst übernehmen – da stellt sich

aber die Frage, wer es zahlt.

STANDORT:

Gibt es sonst noch Än-

derungen?

EMBACHER

:

Alle Informationen sind

public by default. Beim Einreichen muss

festgelegt werden, unter welche Ver-

traulichkeitsstufe welches Dokument

fällt – wenn nicht, ist es öffentlich.

Sabine Embacher: „Strikte Zeitlinien.“

Foto:Andreas Friedle