

STANDORT:
Als Leiter des Novartis
Venture Funds waren von 1998 bis
2006 Start-ups Ihr Hauptaufgaben-
gebiet. Welche Kriterien waren bei
Beteiligungen ausschlaggebend?
JÜRG MEIER
: Der erste Punkt, auf
den wir geachtet haben, war die In-
novation. Dazu habe ich immer ge-
sagt: Ist die Idee auch so gut, dass es
sich lohnt, Geld daran zu verlieren?
Bei guten Ideen ist es ja so: Entweder
es geht, und wir werden alle reich,
oder es geht nicht, und wir haben da-
raus gelernt. Punkt zwei sind die Leu-
te: Traut man ihnen das zu, haben sie
Motivation und Begeisterung.
STANDORT:
Wie schaut Ihre Bilanz
beim Venture Funds aus?
MEIER
: Wir haben über 100 Firmen
gegründet, auch größere, die später
an die Börse gegangen sind. Andere
wurden von großen Unternehmen
gekauft. Solche Firmenverkäufe sind
in dem Sinne schön, dass Cash aus-
bezahlt und geteilt wird. Denn in der
Biotechnologie wird der Zeitfaktor
oft unterschätzt: Ich war lange Chair-
man bei Polyphor, die mit ihrem ers
ten neuen Antibiotikum nun in der
Phase III sind – und 2016 ihr zwan-
zigjähriges Firmenjubiläum hatten.
STANDORT:
Sehen Sie bei Start-ups
österreichische Besonderheiten?
MEIER
: In Österreich ist der Faktor
Förderungen sehr stark ausgeprägt,
für Gründer, die so ihre Firmenan-
teile behalten können, natürlich
sehr gut. Business Angels hingegen
haben den Vorteil, dass sie ihr Know-
how und Netzwerk einbringen. Ich
weiß z.B., wer bei Novartis für welche
Frage der richtige Ansprechpartner
ist.
STANDORT:
Sie haben 2014 bei ad-
venture X Florian Föger kennenge-
lernt, heute sind Sie Investor bei sei-
nem Unternehmen Cyprumed. Was
hat Sie an seiner Idee gereizt?
MEIER
: Ich habe damals im Halb-
dunkel des Congresssaals die zehn
Firmenbeschreibungen
durchge-
lesen – und mir war klar, dass nur
Florian Föger mit seinem Konzept,
Proteine und Peptide oral einnehm-
bar machen zu können, gewinnen
kann. An dieser Fragestellung haben
wir vor 40 Jahren, damals in der Bi-
opharmazie der Sandoz, gearbeitet
und keine Lösung gefunden.
STANDORT:
Wie ist der Stand bei
Cyprumed?
MEIER
: Die Technologie ist in Eu-
ropa patentiert, Ende des Jahres
soll die erste klinische Phase-1-Stu-
die starten. Zudem gibt es mit drei
großen Pharmafirmen Verträge
für Machbarkeitsstudien, die mit
der Cyprumed-Technologie eigene
Peptid-Wirkstoffe oral verfügbar ma-
chen wollen.
STANDORT:
Sie waren bei Sandoz
und Novartis weltweit unterwegs.
Wie präsentiert sich der Biotech-
Standort Tirol durch die internatio-
nale Brille?
MEIER
: Ich kann ihn nur in hohen
Tönen loben. Es gibt eine Struktur,
die nicht überdimensioniert ist. Es
gibt Beziehungen, von Cyprumed
etwa zum Pharmazeutischen Institut,
wo man schnell etwas machen kann
oder Hilfe bekommt – ohne große
Bürokratie. Ähnlich läuft es über die
Standortagentur Tirol, über die Kon-
takte vermittelt werden.
STANDORT:
Und inhaltlich?
MEIER
: Von den Unis kommt im Bio
tech-Bereich viel, es gibt eine Biolo-
gie, Chemie, Pharmazie etc. Ich zäh-
le auch das MCI dazu. Das ist ideal,
fast schweizerisch, die Vermischung
von Ausbildung und Unternehmer-
tum. ]
Jürg Meier blickt auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der Pharmaforschung
zurück, an seiner Wahlheimat Tirol schätzt er auch den Biotech-Standort.
Standort
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STANDORT 03|17
[ Thema: Inhalt ]
Jürg Meier über die Besonderheiten
von Start-ups in der Biotechnologie
[ standortagentur ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]
Erneuerbare Energien
Seite 3
[ Thema: Impressum ]
STANDORT. Aktuelle Nachrichten
der Standortagentur Tirol und ihrer
Clusterinitiativen. Ausgabe 03|17
Herausgeber: Standortagentur Tirol,
Ing.-Etzel-Straße 17, 6020 Innsbruck
Verleger: KULTIG Corporate Publishing,
Koch & Partner KG
Redaktion: Andreas Hauser
Fotos: Andreas Friedle
Druck: Alpina Druck GmbH
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Nr. 30 | Jg. 09
AKTUELLE NACHRICHTEN DER STANDORTAGENTUR TIROL
Mit dem K1-Zentrum ACMIT arbeitet
Michael Vogele an einem Medizinroboter
Hilber Solar konstruierte die Anlage
für ein Agrophotovoltaikforschungsfeld
Gebäudefotos sollen Infos über Bau-
jahr und Heizwärmebedarf preisgeben
Mechatronik
Seite 4
Mit Zillertaler Bowdenzügen kommt
zügige Bewegung in die Luftfahrt
Für den Maschinen- und Stahlbauprofi
Falkner ist keine Hängebrücke zu lang
Informationstechnologien
Seite 5
BE-terna: Digitale Transformation muss
kein Drei-Millionen-Euro-Projekt sein
Smart Ventures bringen mit 5Analytics
Künstliche Intelligenz nach Tirol
Wellness
Seite 6
Die „Diätetische Landkarte Tirol“
sorgt für Wirtshausessen, das gut tut
Lohninger-Wunder punkten mit einer
Software fürs Recruiten imTourismus
Life Sciences
Seite 7
IFIH1 ist ein „interessantes Gen“ bei
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Martin Schmid über die neue EU-
Verordnung für Medizinprodukte
[ INNOVATIONSASSISTENT/IN ]
E
in Holzbauunternehmen will eine neue Maschine entwickeln, die
effizientere Holzbaukonstruktionen bauen kann. Ein Maschinenbauer
wiederum will sich künftig verstärkt als Dienstleister für Projektleitung
und Ausführungsüberwachung zukunftsorientierter Projekte positionie-
ren. Und ein Anbieter von IT-Dienstleistungen will den Bereich Mitarbei-
terbefragung weiter ausbauen. Die drei Unternehmer sind bei der Um-
setzung ihrer Ideen nicht auf sich allein gestellt – Unterstützung erhalten
sie von ihren InnovationsassistentInnen. „Mit der Förderung ‚Innovations-
assistentIn‘ unterstützt das LandTirol Personal- und Qualifizierungsko-
sten neu einzustellender InnovationsassistentInnen. DerenTätigkeitsfelder können in den Bereichen F&E, Dienstleistungs-
innovationen, Innovationsorganisation, Kommunikations- und Informationstechnologien sowieTourismusinnovationen
und -management angesiedelt sein“, erklärtWirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf. 462.000 Euro stellt das Land
Tirol im Rahmen derTiroler Innovationsförderung/Schwerpunkt „InnovationsassistentIn“ heuer zurVerfügung, gefördert
werden damit 17 neue Projekte. Spitzenreiter mit fünf innovativen Helfern sind Innsbruck und der Bezirk Lienzsowie
Innsbruck Land mit drei, weiters gibt es je ein förderwürdigesVorhaben in Reutte, Imst, Schwaz und Kufstein.
FTE-ERHÖHUNG
M
it der beschlossenen Änderung
des FTE-Nationalstiftungsge-
setzes wurde die gesetzliche Grund-
lage geschaffen, die Nationalstiftung
für die Jahre 2018 bis 2020 mit 100
Millionen Euro pro Jahr zu dotieren.
Damit soll Österreich in die Gruppe
der innovativsten Länder Europas
aufsteigen. Zusätzlich zu den Mitteln
der Nationalbank stehen mit den
Mitteln des Österreichfonds und
den ERP-Zinserträgen pro Jahr somit
140 Millionen Euro für Forschungs-
und Innovationsförderung zur Verfü-
gung. Seit 2004 hat die Nationalstif-
tung FTE ein Finanzierungsvolumen
in der Höhe von mehr als einer
Milliarde Euro bereitgestellt.
T
rotz aller
Kritik an
internationalen
Rankings zur
Leistungsfähig-
keit nationaler
Innovationssy-
steme entfacht
ihr Erscheinen
jedes Jahr hitzige Diskussionen über
die Gründe für Österreichs Auf- oder
Abstieg imVergleich zu den Bestplat-
zierten. Denn um langfristig wettbe-
werbsfähig zu bleiben, soll Österreich
zur Gruppe der Innovationsführer
aufsteigen. Doch wo lassen sich Ös-
terreichs Stärken verorten, wo gibt es
Luft nach oben? Das Österreichische
Institut fürWirtschaftsforschung
(WIFO) misst die Leistung eines
Innovationssystems anhand der Fähig-
keit, zur Frontier – also der höchsten
Leistungsgrenze – in vier Bereichen
beizutragen:Wissenschaft,Technolo-
gie, Innovation undWirtschaft. Das
Ergebnis: Österreich liegt in allen Be-
reichen hinter dem Durchschnitt der
Innovationsführer, speziell aber bei
derWissenschaftsfrontier, der Fähig-
keit zumWachstum des wissenschaft-
lichenWissens beizutragen. Gründe
hierfür können bei relativ niedrigen
Hochschulausgaben und geringer
wettbewerblichen Finanzierung der
Universitäten gesucht werden, wobei
es auch regionale Unterschiede gibt.
Gemessen an der bevölkerungsbe-
reinigten Zahl anTop-Publikationen
liegt etwaTirol im österreichischen
Vergleich vorne. Aufgrund ihrer
positiven Effekte auf betriebliche
Neuansiedelungen und universitäre
Spin-Offs sowie desWissenstransfers
in bestehendeWirtschaftsstrukturen
ist die Leistungskraft der Hochschulen
und die damit verbundene Attrakti-
vität imTalentewettbewerb aber für
alle Regionen von Relevanz.
Luft nach oben
GASTKOMMENTAR
MAG. DR. AGNES KÜGLER, MSC
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Österreichischen Institut
für Wirtschaftsforschung (WIFO)
STEIGERUNG
D
ie aktuellsten Zahlen der
Statistik Austria weisen Ti-
rol österreichweit als stärkstes
Exportzuwachs-Land im regionalen
Außenhandel 2016 aus: So konnte
Tirol seinen Export in die Europä-
ische Union vergangenes Jahr um
6,8 Prozent und ins restliche Europa
sogar um 22 Prozent steigern.
Insgesamt stieg das Außenhandelsvo-
lumen um 7,7 Prozent auf 12,3 Mil-
liarden Euro, führende Exportländer
sind Deutschland, die Schweiz und
Liechtenstein sowie Italien. Beson-
ders auffallend: die 16-prozentige
Steigerung bei pharmazeutischen
Erzeugnissen auf über 2,3 Milliarden
Euro Exportwert.
Foto:WIFO
Foto:AdobeStock/alexlmx
Innovative Helfer
Der Zeitfaktor wird
oft unterschätzt
Foto:Andreas Friedle
Jürg Meier: „Ist eine Idee auch so gut, dass es sich lohnt, Geld daran zu verlieren?“